Veränderungen + Gedanken, die ich zu unserem System machen konnte

Gestern hat mich etwas sehr… plötzlich eingeholt. Ich glaube die Veränderung fing ja hauptsächlich während System 1 statt, aber wenn ich mich richtig an einen Eintrag bei uns im Blog erinnere, war Rieke im Außen. Das ist irgendwer aus irgendeiner Ebene über uns. Es sind ja keine Beiträge mehr online und im Papierkorb alle durcheinander, ich kann ihren letzten Eintrag auf die Schnelle nicht mehr finden, aber als er noch online war, habe ich ihn gelesen und, wenn ich mich nicht falsch erinnere, hatte Rieke ja sogar gedacht, sie würde jetzt wieder länger im Außen sein?

Ich glaube, dass wir gerade Co-Aktiv mit der Ebene über uns sind. Das würde vielleicht auch diese neue Erfahrung an Erinnerungsverlusten erklären? Ob das wirklich möglich ist, weiß ich nicht, aber vielleicht kann es ja sein, dass mein Gehirn Informationen nicht so gut festhalten kann, wenn ein System mit aktiv ist, zu dem die dissoziative Barriere eigentlich noch massiv ist. Und zu Ebenen über uns haben wir ja unerschütterliche Amnesien. Das ist total verrückt.

Jedenfalls ist die Schrift, die mir immer wieder auffällt, Riekes Schrift sehr, sehr ähnlich, nur etwas „schrulliger“. Wenn ich Zuhause bin, kann ich vielleicht mal ein Vergleich suchen. Im Dezember vor einem oder zwei Jahren (ich habe keine Ahnung), tauchte in einem bestimmten Tagebuch Riekes Handschrift das erste Mal auf. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie ich diesen Eintrag in einem Tagebuch gefunden und mich so vor dem Inhalt gefürchtet habe, dass ich die Seite ausgerissen und irgendwo verstaut habe. Ich denke, in einer Klappentasche im Tagebuch selbst. Aber ich weiß leider nicht mehr, welches der vielen Tagebücher das war. Die anderen Texte von ihr sind in unseren Kommunikationsheften – die sind aber alle bei Frau Blume.

Jedenfalls – seit ich aktiv bin tauchen trotzdem immer wieder Einträge in dem neuen „Beziehungsbuch“ auf. Das ist eigentlich bloß ein Tagebuch und ich kenne es nicht. Es ist auch durchgehend nur eine Schrift, eben diese „Schrullen-Rieke-Schrift“, weshalb ich nicht reinschreiben würde. (Wenn wir Tagebücher finden, in denen nur bestimmte Systeme schreiben oder sogar immer nur eine Handschrift auftaucht, dann respektieren wir das als andere Systeme eigentlich immer, und lassen das ihre persönlichen Sachen bleiben). Scheinbar habe ich also doch Erinnerungslücken am Tag, die mir gar nicht auffallen. Denn irgendwann muss ich diese Einträge ja schreiben, aber ich wüsste nicht wann. Das ist nicht weiter dramatisch, weil das ja jetzt keine Amnesien von mehreren Tagen oder einem Dutzend Stunden sind, es ist nur eine Feststellung.

Gestern in der Arbeit hat es mich erst emotional eingeholt, was das nächste Jahr für uns bedeutet. System 1 (oder war das Rieke? – es ärgert mich, dass ich die Beiträge nicht mehr finde!) sind ja voller Elan, einen neuen Job zu finden. Und grundsätzlich kann ich das auch mitgehen. Aber ich würde viel lieber schon beim selben Arbeitgeber bleiben und mit Billy zusammenarbeiten. Dass wir seit Jahren nicht auf Augenhöhe behandelt werden, ist mir auch klar und das gefällt mir auch nicht. Das war und ist bei Billy aber nie so gewesen. Sie behandelt uns sehr gleichwertig und mutet uns auch Mammutaufgaben zu! Dafür sind wir ihr sehr dankbar, weil nur so können wir wachsen und unsere Fähigkeiten entfalten. An der aktuellen „Mammutaufgabe“ sitzen wir glaube ich schon seit drei Monaten. Es ist sehr kompliziert, mühsam und langwierig, aber es macht sehr Spaß unser Gehirn dahingehend zu fordern, mal komplett neue und strategische Lösungsansätze zu finden. Und wir dürfen diese Aufgabe komplett alleine lösen. Ich glaube, mit Billy könnten wir sehr wachsen! Aber die Arbeit in der Unternehmenskommunikation macht uns einfach gar keinen Spaß mehr. Dass man nicht auf Augenhöhe behandelt wird, kann man eine Weile übersehen, wenn wenigstens die Arbeit an sich Spaß bringt. Aber das hat vor Jahren schon nachgelassen.

Nun, jedenfalls waren wir gestern noch bei Billy im Direktorat und haben weiter an der Aufgabe getüftelt. Als wir Feierabend machen wollten, ist mir aufgefallen, dass wir so, wie wir heute das Büro verlassen, nicht mehr und vermutlich auch nie wieder zurückkommen werden. Das Neujahr wird in aller höchster Form und im übertragenen Sinne ein neues Jahr. Billy wird nicht mehr meine Chefin sein, weil sie nicht mehr im Direktorat sondern alleine als Veranstaltungsmanagerin arbeiten wird (ein neuer Bereich). Unser Direktor wird kein Direktor mehr sein, weil er diese Woche seine letzte Arbeitszeit hatte – er geht in den Ruhestand. Statt ihm gibt es nun einen Geschäftsführer, keinen Direktor mehr. Unsere Chefin der Unternehmenskommunikation geht ins Recruiting. Eigentlich löst sich wirklich alles auf. Und wir stehen mitten drinnen – haben es scheinbar eher von außen und auf Meta-Ebene beobachtet, aber gestern, als Billy uns zum Abschied umarmt hat und meinte: „Danke für alles“, wurde mir wie auf einen Schlag super schwer ums Herz, sprich, die Emotion hat mich sehr unerwartet eingeholt. Auch als der Direktor mich gedrückt und mir ein Bussi auf die Wange gegeben hat (ja, ist in Ordnung! wir mögen ihn sehr gerne und empfinden es nicht als unangenehm oder übergriffig, schließlich kennt er uns auch seit 10 Jahren und hat viel mit uns durchgemacht) , und als wir die Umzugskartons in seinem Büro stehen sehen haben, hätte ich aus irgendeinem Grund am liebsten losgeheult (und jetzt beim Schreiben auch schon wieder). Ich denke, ich sollte mir heute Abend mal Zeit nehmen, um die Tränen und den Abschiedskummer und vielleicht auch die Angst vor den Veränderungen zuzulassen. Es ist nur schwer, wo. Denn wenn wir draußen sind, können wir nicht weinen (die Natur tröstet uns oft sehr und erdet uns). Zuhause sind wir ab heute Abend nicht mehr alleine und wollen nicht, dass unsere Eltern das sehen. Wenn unsere Mum dann reinkommen und uns trösten wollte (das würde sie nämlich), könnte ich damit gar nicht umgehen. Ich kann mit Trost von meiner Mum einfach nicht umgehen. Aber ich weiß auch nicht, was für ein Gefühl das auslöst. Ich kann zumindest vor ihr oder mit ihr nicht so losgelassen und offen weinen, wie wir es bei Cia und Belinda können (und auch dort erst gelernt haben). Und morgen ist unser Geburtstag. Da will ich nicht weinen. Da will ich uns etwas Schönes tun. Ein Tag, an dem wir nur das machen, was wir wollen oder uns wünschen. So feiern wir jedes Jahr Geburtstag. Alleine und meistens ein bisschen einsam, aber zumindest versuchen wir immer das Schönste aus dem Tag herauszuholen. Das war schon so, seit wir Kinder sind. Ich sage immer – das, was man nicht kennt, kann man auch nicht vermissen. In Wirklichkeit sieht es natürlich anders aus. Wenn ich ehrlich zu mir oder uns selbst bin, wäre es natürlich viel schöner, wenn liebe Menschen, die einem am Herzen liegen, Zeit hätten und weniger im Weihnachtsstress wären – wenn Geburtstagsgeschenke nicht auf Weihnachten verschoben werden und Schals, Mützen oder Nikoläuse beinhalten würden. Aber nach sage und schreibe morgen 26 Jahren gewöhnt man sich irgendwie daran. Und es wird immer weniger traurig, sondern man lernt eher die kleinen schönen Momente darin zu genießen und für alles dankbar zu sein, was man alle 365 Tage im Jahr hat, und nicht nur dafür, was man am Geburtstag bekommt (im Sinne von Aufmerksamkeit und Zeit – nicht materiell).

Dieses Jahr werden wir verdammt viel verabschieden und zurücklassen. Und im nächsten Jahr wird uns sehr viel Neues erwarten. Ich bin sehr gespannt, wie wir das meistern werden.

Ich bin auf jeden Fall froh, dass heute Mittag Svenja noch vorbeikommt. Sie will mir ein Geburtstagsgeschenk vorbeibringen, bevor wir wegfahren. Wir setzen uns dann noch in ein Café und quatschen ein bisschen. Gestern schrieb ich ihr nämlich, dass ich mich seltsam unzufrieden fühle. Und das, während ich bei Kerzen und Lichterketten gemütlich auf der Couch vor der Netflix Serie „The woman in the house across the street from the girl in the window“ saß, die ich in einem Zug durchgeschaut habe, weil ich sie super witzig fand. Ich schrieb ihr, weil ich erst letztens mit ihr ein Gespräch darüber hatte, dass man lernen muss, sich selbst auszuhalten – und wie verrückt es ist, dass wir seit drei Wochen gar keine Zeit hatten uns selbst auszuhalten, weil wir ständig von morgens bis abends beschäftigt und fast täglich in Interaktion mit Menschen waren, bis wir zwei Stunden vor zu Bett gehen mal Zuhause ankamen. Es war fast ungewohnt ruhig gestern Abend, dabei waren wir auch bis 19 Uhr weg. Aber im Vergleich zu den letzten Tagen seit Wochen, war das ein sehr, sehr ruhiger Tag. Gestern wusste ich noch nicht, was mich innerlich so bewegt. Ich glaube heute aber, dass es unterbewusst der Abschied von dem aktuellen Arbeitsleben ist. Die Emotion kam gestern ja so schnell und unerwartet, dass ich sie sehr plötzlich wieder verpackt und irgendwo hinten weggestellt habe (bildlich). Ich hatte es gar nicht mehr im Bewusstsein, was da am Nachmittag war. Jetzt rückblickend glaube ich, dass es einfach noch unterbewusst in mir gearbeitet hat.

Außerdem hat mir Frau Blume auf meine Mail von vorgestern geantwortet, in der ich sie um Ratschläge gebeten habe, was ich gegen diese Erinnerungsschwunde tun kann (die nicht von einem Wechsel kommen). Es hat gut getan, von ihr zu lesen, bevor sie in den Urlaub geht – und auch wenn sie keine direkten Tipps hatte und sie selbst sagte, das sei nicht mit ein, zwei Ratschlägen getan – hat uns irgendwas in der Nachricht daran erinnert, was wir tun könnten. Ich dachte mir: Klar, wenn gerade unser Erleben ist wie ganz zu Beginn, dann können wir ja auch einfach wieder in diesen Schritten arbeiten, wie ganz zu beginn, also wieder regelmäßig ein Kommunikationsheft führen. So regelmäßig wie vor zwei Jahren, und zu Beginn 2018, als wir uns kennenlernen wollten.

Damit habe ich gestern begonnen. Einfach den Tag über immer wieder Mal mir die Zeit genommen aufzuschreiben, was ich getan oder erlebt habe. Das hat mir auch ein wenig Sicherheit gegeben.

Sex und Körper

Gesten Abend um halb neun kam Finja vorbei. Wir hatten das so abgesprochen, damit wir uns vor dem 27.12. nochmal sehen können. Das war mein erstes Mal, dass ich sie persönlich gesehen habe und sie sah besser aus als in meinen Erinnerungen oder auf Fotos. Ich glaube nur, dass ich zu schnell zu viel von mir erwartet habe. So, wie Lucy über Finja geschrieben hat oder darüber, was sie miteinander erlebt haben, war ich irgendwie davon überzeugt, auch dieses Gefühl von Schmetterlingen im Bauch zu spüren, aber es war einfach nicht da, und ich denke langsam, dass ich gar nicht für solche Gefühle in der Lage bin. Auch was den Sex angeht ist es ähnlich. System 1 scheint da super sensitiv zu sein. Ich habe Finjas Körper auch sehr genießen können. Also, dieses Gefühl von Haut an Haut finde ich (natürlich nur mit bestimmten Personen), überwältigend schön. Wir haben sie geküsst, mit ihr gelacht, ein Kartenspiel gespielt. Sie ist sehr entspannt, kommuniziert sehr klar (das konnte Nikki ja auch), und ist sehr sinnlich. Also, ihre Berührungen sind wirklich sehr… anders. Viel achtsamer als wie wir es bisher kannten. Mit ihr zu schlafen fühlt sich wirklich viel mehr wie „Eins werden“ an, als einfach nur Sex. Ich glaube langsam, dass das auch viel damit zu tun hat, wie gut sich jemand in seinem Körper fühlt. Finja und Soula haben sehr viele Parallelen was ihre Einstellung zu sich selbst angeht. Sie wirken sehr im Klaren darüber, wer sie sind, was sie wollen, was ihnen gefällt oder nicht gefällt… Und wir hatte ja trotzdem auch viele Sexualpartner:innen, aber nur bei Finja und Soula wirkten die Berührungen bisher auch wirklich … achtsam (ich weiß gar nicht, was für ein anderes Wort ich dafür benutzen kann). So, als würden sie nicht nur den Körper, sondern auch wirklich die Seele berühren… etwas, das irgendwie durch die Haut geht. Das ist sehr, sehr schön, aber… ich habe einfach keine Empfindungen im Intimbereich oder an den Brüsten. Ich spüre dort keine Berührungen… als würde es nicht existieren. Das ist nicht neu, das ist schon immer so, aber ich erwarte jedes Mal, dass es anders ist. Besonders, wenn ich von den Erfahrungen von anderen von uns lese. Wie Lucy oder Carmen (weiß nicht wer von den beiden das war) in unserem Tagebuch über das erste Mal mit Finja geschrieben haben, hat mich das total abgeholt. Ich kann Romantik und das Prickeln total spüren – auch, wenn ich Filme oder Serien schaue. Als könnte ich das Verliebtsein anderer Menschen spüren, aber nicht, wenn es darum geht, mich selbst zu verlieben. Und ich habe es so ersehnt: Also, dieses Erlebnis, von dem Lucy oder Carmen geschrieben haben. Ich wollte, wollte unbedingt, besonders, weil Finja auch wirklich nach unserer griechischen Exfreundin das erste Mal jemand ist, der optisch auch meinem/unserem(?) Beuteschema entspricht. Ich wollte also wirklich diese Erfahrung mit ihr teilen, die andere von uns schon mit ihr geteilt haben. Aber es kam nicht. Nichts davon. 
Bitte verzeiht meine direkte Sprache, aber ich bin kein Freund davon, Dinge zu sehr zu umschreiben, deshalb hoffe ich, dass das für euch nicht zu klar ist, was ich schreibe. 

Ich habe eben erwartet, dass ich die Erregung zwischen den Beinen spüre. Ich war irgendwie auch erregt, schließlich habe ich gespürt, dass wir feucht waren, aber ihre Berührungen haben nichts weiter ausgelöst, bzw. habe ich sie teilweise nicht einmal wahrgenommen. Ich weiß zwar, wie es ist zum Höhepunkt zu kommen, weil ich einmal vor zwei Jahren die Erfahrung gemacht habe mit jemandem, der wusste dass ich im Außen bin und von unserem Vielesein wusste und sehr behutsam rangegangen ist. Aber ich musste mich extrem auf den Bereich ihrer Berührungen konzentrieren. Es war fast schon anstrengend, etwas zu empfinden. Aber das war eben auch das erste und letzte Mal. 

Gestern bei Finja konnte ich mich nicht wirklich auf meinen Körper fokussieren, weil ich sie während dem Akt eigentlich die ganze Zeit angeschaut habe. Das finde ich so wunderschön mit ihr – dass wir uns in die Augen sehen und wirklich irgendwie beieinander sind. Ich weiß nicht, was mir das gibt. Vielleicht, weil wir sehr visuell sind und das alles realer wird, wenn wir sie ansehen. 

Es war also ein sehr schönes Erlebnis, aber ich bin mit Traurigkeit eingeschlafen, weil ich mich gefragt habe, ob ich niemals dieses Gefühl von Verliebtsein oder der „richtigen“ Erregung spüren werde. Obwohl ich es mir so sehr wünsche. Weil es so schön ist, darüber zu lesen, wie andere von uns das empfinden. Wieso darf ich das nicht? 

Ich habe keine Traumaerfahrungen, ich wurde nie missbraucht, im Gegensatz zum Beispiel zu Lucy – sie ist eine direkte Betroffene von uns allen. Mir wäre das alles schlüssiger, wenn Lucy nicht in der Lage wäre das zu empfinden, was sie empfindet, weil das für mich eine logische Konsequenz der Traumafolge wäre. Aber ich, die nie schlechte Erfahrungen damit gemacht hat? Das… obwohl mir jetzt ein Denkfehler kommt. Vielleicht ist es sogar mehr als logisch. 

Vermutlich ist ein Teil von mir, der diese ganzen Dinge fühlen kann, ein abgespaltener Teil von mir – weil er diese Dinge erlebt und schon einmal gespürt hat? Sprich: Wurde ich vielleicht schon einmal missbraucht und habe nur absolut keine Erinnerung daran, weil es in einen anderen Anteil abgespalten wurde? Ich meine, wir reden hier von einer Nadel im Heuhaufen – ich weiß, dass dieser Körper, in dem ich stecke, schon öfter missbraucht wurde, als andere vielleicht freiwilligen Sex hatten. 

Aber wer genau von uns ist von wem von uns abgespalten? Oder ist vielleicht nur eine Empfindung von mir abgespalten? Dann müsste ich ja aber Erinnerungen an einen Missbrauch (während meiner Außenzeit), haben! Die habe ich aber nicht. Anders als Lucy, die ganz genau sagen kann, wann und wo und wie es passiert ist (die aber dazu keine körperlichen Erinnerungen hat). Oder ist es vielleicht gar nicht Lucy, die darüber geschrieben hat, wie sich der Sex mit Finja angefühlt hat? Ich wünschte mir gerade so sehr, ich könnte so in Kontakt gehen wie sonst auch 😦 

Ich will es verstehen, weil ich hoffe, dass ich es dadurch lernen kann auch solche schönen Momente zu erleben. 

Andererseits kann die sexuelle Lust gar nicht komplett von mir abgespalten sein, weil ich es ja bei starker Konzentration spüren konnte. Was ist es dann? Verdränge ich es nur? Blende ich es aus? Aber wieso, wenn sich alles gut und stimmig anfühlt? 

Und das klärt immer noch nicht meine Frage und die Sehnsucht, mich auch einmal richtig zu verlieben… 

Aber grundsätzlich: Finja wäre schon auch jemand, mit dem ich mir eine Beziehung vorstellen kann. Ich lese ja das Buch „Der Lauf der Liebe“ von Alain de Botton, das uns Svenja geschenkt hat. Und da sind eigentlich andere von uns darauf aufmerksam geworden. Aber ich muss sagen, dass ich dieses Buch wahnsinnig gut finde. Es gibt mir so viele Möglichkeiten, mir neue Fragen zu stellen und mich selbst zu reflektieren. Überhaupt wäre ich zum Beispiel nie darauf gekommen mir die Frage zu stellen: „Wieso finde ich Menschen die erfolgreich im Leben sind und einen bestimmten sozialen „Status“ haben, so viel anziehender als andere?“ (z.B. Eigenbrötler, Miesepeter, „Normalverdiener“ – Kassiere, Bürokauffrauen, etc.) Das sind super oberflächliche Eigenschaften, aber ich habe erkannt und verstanden, dass es genau das Gegenteil von uns ist. Und langsam fange ich durch Svenja auch an, an Horoskope/Astrologie zu glauben. Sie trifft manchmal Aussagen, nur anhand meines Horoskopes (sie hat da irgendein Programm wo man das Geburtsdatum und die Geburtszeit und den Namen eingeben muss: Das spuckt dann ein ganzes Horoskop mit Planeten, Häusern, Aszendenten, Sonnen und Schattenhoroskopen, und was weiß ich was da noch alles dazugehört, aus – und komischerweise trifft sie mit ihren Deutungen darüber immer total ins Schwarze)… es ist so eine Mischung aus psychologischer und esoterischer Astrologie, aber sie bleibt eher beim Psychologischen… Ich habe leider keine Zeit und gefühlt gerade auch keine Gehirnkapazitäten, um mich auch noch damit auseinanderzusetzen (weil uns ja gerade sehr viel das Thema Beziehungen und Liebe interessieren) – aber es ist schon echt faszinierend. Sie trifft manchmal Aussagen, über die wir schon insgeheim sehr lange nachdenken, aber noch nie mit jemandem kommuniziert haben, weil sie so überheblich oder seltsam klingen. Was zum Beispiel unsere „Berufung“ angeht. Aber das ist ein anderes Thema. Sollten wir jemals darauf in einem Podcast zu sprechen kommen, teilen wir das vielleicht gerne hier mal mit euch 🙂 Wir stellvertreten die Skeptiker der Astrologie 😀 

Aber um zurück zu kommen. Ich bin zwar ein sehr sachlicher Mensch und suche immer rationale Erklärungen (zum Beispiel weiß ich auch, wie Kartenlesen, Persönlichkeitstest und all der Hokuspokus funktioniert: es sind psychologische Tricks – in den Ergebnissen oder Aussagen stecken immer Sätze, die jeder von sich behaupten würde. Es ist eigentlich keine große Kunst, Menschen in solchen Bereichen zu täuschen) – aber trotzdem kann ich nicht immer an Zufälle glauben. Besonders, dass wir ausgerechnet Svenja und Finja zur selben Zeit kennengelernt haben, und das kurz nachdem wir angefangen haben uns mit Liebe und Beziehungen in philosophischer, psychologischer und soziologischer Sicht zu beschäftigen (wir gehen da gerade aktuell nach Alain de Botton (phil.), Eva Illouz (soz.) und Felizitas Ambauen (psych.) – und wollen dann noch andere Thesen oder Forschungen durchlesen etc.). Das kann doch einfach kein Zufall sein? Besonders, weil Svenja und Finja komplett gegensätzlich sind. Und, das soll sich nicht falsch anhören, aber ich habe schon das Gefühl, dass wir Finja kennengelernt haben, um mit ihr an unserem Umgang mit Beziehungen üben zu können. Damit will ich sie nicht als „Versuchskaninchen“ bezeichnen, aber sie ist glaube ich wirklich recht ideal dafür, weil sie sehr ausgeglichen und mit sich selbst im Reinen zu sein scheint – sie überstürzt nichts, hat aber auch keine Angst vor Authentizität, sie ist irgendwie die perfekte Waage. Dabei achten wir sehr auf gegenseitige Gefühle. Es soll in erster Linie einfach schön sein, aber wir wollen die Möglichkeit nutzen, mehr über unsere Beziehungsgestaltung zu Menschen zu erfahren und zu verstehen. Und Svenja wirkt gerade wie eine… „Guide-Line“ dazu. Oh Gott, das hört sich alles so furchtbar falsch an – als würden wir die Menschen in unserem Leben objektifizieren (gibts das Wort überhaupt?). So ist es wirklich nicht. Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir es mit lebenden Menschen mit echten Gefühlen zu tun haben!!! Und gehen auch wirklich sensibel und offen damit um. Das ist ja auch Teil des „In-Beziehung-Gehens“: Offenheit, was die eigene Gefühlswelt betrifft. 

Und das ist gar nicht so einfach, weil wir sehr hart mit uns selbst ins Gericht gehen und wirklich gnadenlos zu reflektieren versuchen, besonders Dinge, die wir sonst gerne ausgeblendet haben. Zum Beispiel habe ich seit Sonntagabend, als Svenja noch kurz da war, das Gefühl, dass sich ihrerseits Gefühle entwickelt haben, aber traue mich nicht, sie direkt danach zu fragen – als ich dann im Lokal kurz auf die Toilette bin, habe ich mich gefragt, wieso ich mich nicht traue das anzusprechen, obwohl wir doch gerade über Ehrlichkeit und Offenheit reden und es alles so „klar und einfach“ wirkt. Ich kann den Grund, der mich daran hindert, nicht erkennen. Ich habe schon die Thesen der Angst aufgestellt: „Angst davor, sie zu verletzen und dass unsere Reise dann damit zu Ende geht“, „Angst, dass ich mich irre und es beschämend sein könnte“, aber das fühlt sich nicht stimmig an. Und es ist so spannend, nicht? Zu Philosophieren, spekulieren, reflektieren = alles eine Seite. Die Andere ist das Leben nach dieser Philosophie oder der Ethik oder Moral, je nachdem, wie man es nennen will.  

(Ich habe übrigens gerade sehr stark das Gefühl, Co-Beeinflusst zu sein, aber weiß nicht von wem). Weil eigentlich ist das längst nicht mehr das Thema, was mich eigentlich beschäftigt hat. Und ich habe den Faden verloren. 

-Kara 

Erinnerungsradiergummi

Ich bin ganz hin und her gerissen. Einerseits möchte ich immer noch gerne (K) hinter meine Einträge schreiben, weil ich es sehr angenehm strukturiert fand, andererseits möchte ich dem kollektiven Bedürfnis nach „ich möchte einfach nur als ein normaler Mensch wahrgenommen werden“ nachkommen… Ich glaube, das wird einfach Gewohnheitssache für mich.

Ich habe mich heute etwas unwohl gefühlt, weil ich versucht habe den gestrigen Tag Revue passieren zu lassen und bemerkt habe, dass ich wieder keine Erinnerungsinhalte habe. Ich war ab morgens bis 14:30 arbeiten, nachmittags einkaufen, danach beim Nebenjob, danach bei Lydia zum Glühweintrinken und Plätzchen essen eingeladen. Aber das meine ich nicht mit Erinnerungen. Diese Fakten die ich erinnern kann, haben keinen Mehrwert. Könnt ihr euch erinnern, als ihr als Kind Bilder mit Buntstiften gemalt, und dann ausradiert habt? An einigen Stellen war die Farbe noch sehr stark, an den anderen fast komplett wegradiert – so sieht es mit meinen Erinnerungen aus. Ich sehe noch kleine Buntstiftfetzen, wie Lydia ihre Glühweintasse hält, aber das vollständige Bild fehlt.

Es liegt aber nicht daran, dass wir gewechselt sind. Das war ich. Woran kann es liegen, dass der Kopf sich so dramatisch plötzlich schlecht erinnern kann, ohne dass Wechsel die Gründe dafür sind? Ich habe auch Frau Blume eine Mail geschrieben und sie um Ratschläge gebeten, weil mich das irgendwie belastet/mitnimmt/beunruhigt. 

Dann ist mir aufgefallen, dass ich heute eben eine sehr gedrückte Stimmung habe, habe versucht zu verstehen warum und festgestellt, dass es daran liegt, weil ich mich an diesem Problem mit den Erinnerungen festhalte. Ich bin dann ein bisschen in Gedanken abgedriftet und habe dann auf einmal jemanden gehört (niemand aus unserem System): „Weißt du, wieso es mir so viel besser ging?“

Und ich: „Nein. Wieso?“

-„Weil ich versucht habe einfach nur im Jetzt zu leben… und nicht darüber nachzudenken was gestern war.“

Ich: „Ja, aber…“

„Wieso ist es so wichtig zu wissen, was du gestern alles erlebt hast?“

Ich: „Na weil sich doch alles aus Erinnerungen aufbaut…“

Ich habe dann nichts mehr gehört, aber habe versucht mich kurz zu orientieren, also habe quasi das hier gemacht: Durchatmen, Augen auf, umschauen. Was passiert gerade in diesem Moment? Was habe ich jetzt zu tun? Ich sitze auf einem Bürostuhl, ich trinke einen leckeren Kaffee, ich setze mich gleich an den Pressespiegel und schaue dann eine Zeitung durch, suche danach ein Foto. 

Ich habe gemerkt, dass es mir automatisch besser ging. Also aus dem negativen Gefühl und der Antriebslosigkeit kam gleich wieder Motivation und Sicherheit hoch. Es könnte also vielleicht etwas an dieser Lebenseinstellung dran sein. Zumindest für gewisse Momente. Aber ich bin eben ein Overthinker und ich glaube, den brauchen wir in unserem System besonders, weil gerade bei uns im Zweier sind alle sehr… entweder zu energiegeladen und machen sich keinen Kopf über Konsequenzen (Lou, Max), oder sind sehr ängstlich und schüchtern oder sozial unbeholfen, traurig (Leonie, Mia)… Also, ich denke schon dass es seinen guten Grund hat, warum ich der „Ruhepol“ in unserem System bin. (Als Ruhepol bezeichnen mit übrigens eher meine Mitmenschen, die vom Vielesein wissen – ich selbst empfinde mich gar nicht als sooo ruhig, aber viele meiner Mitmenschen meinen, sobald ich im Außen bin würde ich eine extreme Ruhe (aber auch Distanziertheit, meinte Mona), ausstrahlen). Aber ich bin nicht unfreundlich oder sowas. Im Gegenteil, ich glaube ich bin sogar überangepasst-freundlich (falls es das Wort noch nicht gibt, gern geschehen). Aber vielleicht täte mir diese Strategie von (?) wer auch immer mit mir in Kontakt gegangen ist gerade/vorhin, gar nicht so schaden. Ein bisschen weniger ständig in der Vergangenheit rumwühlen. Vielleicht belastet es mich auch nur so sehr, weil ich mir einbilde ich müsste es wissen. Eigentlich wäre es interessant, warum es mir so wichtig ist, unbedingt inhaltliche Erinnerungen zu haben. Ich sollte das mal näher betrachten, vielleicht steckt da bisschen mehr dahinter. 

Ich meine, in Situationen, wo irgendwie offensichtlich ist, dass „echte“ Amnesien existieren und ich oder wir die Ahnung haben, dass daran Täterkontakt oder durch Trigger extrem destruktive Verhaltensweisen die Auslöser sein können, empfinde ich es als unabdingbar wichtig, sich zu erinnern (wie zum Beispiel die Sonntagnacht….) Aber gestern weiß ich, dass nichts Traumatisches, Trauma-Nahes oder Triggerndes passiert ist, weil ich so gut wie den  ganzen Tag (mit Lou im Wechsel) im Außen war. Es sind wirklich meine eigenen Erinnerungen, die mir fehlen. 

Ich frage mich auch, ob das ein Zeichen von Überlastung sein kann… verwunderlich wäre es nicht. In den letzten Wochen ist enorm viel passiert mit extremen neuen (positiven) Eindrücken, wir arbeiten mehr, sind fast täglich erst ab 22 Uhr Zuhause, weil wir sehr viele soziale Kontakte zu den verschiedensten Menschen pflegen – Nur empfinden wir wirklich keinen Stress dabei. Es erfüllt uns auf irgendeine Art und Weise. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass unser Geist oder unsere Psyche nicht die Zeit hat, die ganzen Eindrücke zu verarbeiten (und dann auch noch verteilt auf ein Vielemensch, der auch noch als Einzelne/s/r die Erlebnisse unterschiedlich verarbeiten, aufnimmt oder wahrnimmt)… also ja, könnte natürlich sein, dass das ein ganz normaler Grund ist. 

Ich bin jetzt gespannt: Ab Donnerstagabend haben wir erst einmal bis Freitagnachmittag Ruhe und Zeit für uns… Ich will da mal in mich gehen (und hoffe, dass ich nicht in eine Dissoziationsschleife gerate, wie ich ja gestern erzählt habe), sondern vielleicht bisschen besser verstehe, was gerade mit mir/uns los ist. Und ich denke auch, dass der bevorstehende Urlaub sehr gut tun wir. 

-Kara

Dazu fällt mir gerade nichts mehr ein

Ich sitze am Schreibtisch und will meine Gedanken in Worte fassen, ich schaffe es aber nicht. Mein System ist aktiv, und obwohl wir nicht da waren, habe ich nicht das Gefühl, gravierende Erinnerungslücken zu haben. Die letzte Woche war ich schon hin und wieder mit anwesend, aber trotzdem waren noch nicht alle ganz da. 

Irgendwas muss gestern auch passiert sein, aber ich kann mich nicht an alles erinnern. 

Mir geht es gut, so ist es nicht – ich bin nur durcheinander und fühle mich heute sehr erschlagen und erschöpft. In mir ist alles verdammt ruhig und gleichzeitig habe ich das Gefühl, alles dreht sich. Ich weiß nicht, was los ist und ich bin mir aber sicher, dass es mit gestern Nacht zusammenhängt.

Ansonsten war alles in Ordnung. Svenja ist spontan gestern Abend um halb sechs noch vorbeigekommen und wir haben in Lydias Café noch ein wenig über ihr Wochenende gequatscht. Danach sind wir noch in ein anderes Bistro, damit Lydi rechtzeitig zumachen konnte. Dort haben wir uns sehr viel über Meinungen, und „wer bin ich“ und „woran mach ich fest, wer ich bin“ gesprochen. Außerdem, ach so… ich glaube, das wurde hier noch gar nicht erwähnt? Oh Gott, es tut mir leid, ich weiß wirklich nicht, was wir schon nach außen kommuniziert haben und was nicht. Aber Svenja und wir möchten ja einen Podcast machen. Grundsätzlich ist das durch ein „Witz“ entstanden, weil jemand von uns meinte, wir müssten eigentlich ein Diktiergerät aufstellen, damit wir noch einmal über alles nachdenken können, was uns durch unseren Austausch so in den Sinn gekommen ist oder in Bewegung gebracht hat. Aber… darüber will ich hier gar nicht so ausführlich schreiben, weil … ich damit hier nicht werben möchte und es ja auch überhaupt nicht auf diese Zielgruppe ausgerichtet ist. Aber, nur so nebenbei, falls wir das mal hin und wieder erwähnen sollten. Jedenfalls haben wir also auch ein bisschen Stichpunkte für den Podcast aufgeschrieben. 

Mit Finja ist alles wie zuvor. Nur vor Weihnachten können wir uns leider nicht mehr sehen. 

Am Freitag waren wir mit Svenja bei einer Familienaustellung – das war sehr, sehr schön. *Klara, die Therapeutin und ihr Mann haben fast dieselbe Ausstrahlung wie Jella … das finde ich so faszinierend. Sie sind so herzlich und offen und liebevoll und null verurteilend. Als wir dort ankamen, hat *Hannes, ihr Mann, uns etwas zu Abendessen gemacht. Außer uns waren noch zwei dabei. Ein junger Mann (22) und seine Freundin aus Österreich (24), Svenja und ich/wir. Wir waren als nur zu sechst, weil alle anderen spontan abgesagt hatten, also haben wir keine geregelte Aufstellung gemacht, sondern eher so „gespielt“. Und das war der absolute Hammer. Die Österreicherin wollte dann etwas aufstellen (ihr Horoskop) – da kenne ich mich ja kein bisschen aus. Das lief so: Sie haben auf vier verschiedene Zettel, vier verschiedene Planeten geschrieben. Es gab den… Mond, Uranus, Venus… und noch irgendeinen? Keine Ahnung, wie gesagt, wir kennen uns mit Horoskopen kein bisschen aus. Aber jedenfalls hat dann die Österreicherin entschieden, wer welchen Planeten stellvertritt, aber wir wussten es selbst nicht. Und es war einfach mal wieder so heftig was passiert ist in der Aufstellung und am Ende haben wir dann erfahren, was wir stellvertreten haben und das war SO krass stimmig in dem, wie sich diese Aufstellung auch bewegt hat. Das war sooooo krass interessant. Svenja hat uns dann abends um 22 Uhr zum Bahnhof zurückgefahren. Die anderen haben bei Klara und ihrem Mann in dem renovierten Bauernhaus nebenan geschlafen (die Zimmer sind mega schön). Und uns eingeladen, dass wir das nächste Mal auch gerne mitkommen dürfen. 

Außerdem – waren wir dort ehrlich. Mit dem Vielesein, einfach so in einem Nebensatz. Es fiel uns kein bisschen schwer. Vielleicht einfach weil wir gemerkt haben, wie offen und herzlich sie alle waren. Total komisch… wildfremde Menschen, aber wir haben uns trotzdem direkt wie Zuhause oder in einer Familie gefühlt. 

Am Samstag waren wir dann nach Ewigkeiten mal wieder bei Lydia im Café, am Nachmittag… irgendwas war am Nachmittag… ich kann mich grad null erinnern… aber ich bin mir sicher, wir waren… AAAAAAAAAAAAAAAH! Klar! Genau! Am Abend waren wir dann zur Weihnachtsfeier in der Gemeinde, wo Mona regelmäßig ist, eingeladen. Das war auch so, so, so schön! Ich war ganz benebelt noch von der Herzlichkeit und der Authentizität von Klara und Hannes und dem Zweiunzwanzigjährigen und seiner Freundin… und bin dann auch total mit der Erwartung in diese Gemeinde… weil … die Christen, „die mit Jesus gehen“ wirken immer so behelligt und offen, und „angekommen“ und… aber… irgendwie war es ganz anders. Also, die Gemeindeleiterin ist schon ein richtiger Strahlemensch, aber die Mitglieder hatten überhaupt nichts von dieser Offenheit und Herzlichkeit, die wir bei Klara usw. erlebt haben. Es ist halt irgendwie doch ein Unterschied in Liebe oder mit Jesus zu leben. Also, zumindest merkt man das definitiv daran, was die Menschen ausstrahlen. Und das will ich gar nicht abwerten, es ist nur so eine Feststellung im direkten Vergleich… die Menschen dort waren auch alle sehr freundlich, aber die ganze Atmosphäre wirkte eher… „traurig“… also…. es wirkte eher wie… als wären da lauter verlorene Seelen, die nicht so wirklich wissen wo sie Halt finden können, bzw. eben Halt bei Jesus suchen… Wir haben gefühlt alles in uns aufgesogen an dem Abend. Also… irgendwie, schwer zu sagen… die Themen, die die Menschen um uns herum beschäftigen, fühlen wir ja richtig, richtig schnell… Und wir waren dann schon so um 19 Uhr rum total erschöpft und müde… hatten leichte Kopfschmerzen… Dabei haben die Menschen dort jetzt nichts Besonderes gemacht und es war wirklich ein sehr, sehr schöner Abend… aber.. irgendwas war einfach anders… Es war weniger authentisch, und irgendwie … eine sehr bedrückende Energie oder wie auch immer man das nennen mag. Wie gesagt, irgendwie so eine tiefe Traurigkeit und ja…. schwer zu erklären. Das hat mich dann aber wenigstens auch wieder geerdet ein bisschen. Weil nach so Kontakten mit Menschen die so eine krasse Ausstrahlung haben (also, ihr kennt bestimmt auch ein, zwei solcher Menschen, denen man begegnet und denkt, die sind die Liebe höchstpersönlich…, weil sie es einfach ausstrahlen)… schweben wir oft in so einer „Bubble“ und gehen dann davon aus, die ganze Welt müsste so sein – dann kommen wir wieder im Alltag an und merken: Super wenige Menschen sind so. Dabei bemerkten wir aber, dass es dann ja auch nichts Besonderes mehr wäre. Und wir brauchen ein bisschen die Bodenhaftung. 

Donnerstags waren wir ja bei Frau Blume in Therapie – ich kann mich leider an absolut gar nichts mehr erinnern. Außer, dass wir bei einem Lokführer vorne mitfahren durften. Dabei war ich in der Therapie. Aber irgendwie kriege ich die Stunde einfach nicht mehr zusammen. Mir war immer wieder mal schwindelig, sobald Frau Blume Fragen oder Themen in Richtung unseres Systems (das Ganze) angesprochen hat, war irgendwas… sie merkte, glaube ich, oder waren wir das? Dass wir einfach nicht in der Lage sind über unser Innenleben zu reden, hinzuhören, hinzuspüren. Es hat direkt eine Art Schwindel ausgelöst. Und ich glaube ein bisschen über … Beziehung haben wir gesprochen? Ich weiß es einfach nicht. Furchtbar. Ich kann mich wirklich nicht erinnern, dabei war ich das! Und ich bin mir fast 100% sicher, dass ich mindestens die Hälfte der Stunde im Außen war. 

Also ja – was unser System angeht, ist völlige Ratlosigkeit da. Wir können nicht dahinschauen, weil es Schwindel, Dissoziation und Amnesien auslöst. Ich kann nur so weit in Kontakt sein, was eben da ist – aber ich kann nicht bewusst nach innen Fragen stellen, das haut mich raus. (Wie oben eben beschrieben). Das was da ist, darf da sein (Lou im Co, zum Beispiel). Aber viel mehr erreiche ich gerade nicht. Es ist wie ganz zu Anfang, als wir gerade versucht haben uns kennenzulernen. 

Gleichzeitig habe ich aber bildliche Erinnerungen Finja und so weiter. Wie wir sie kennengelernt haben und vor allem, wer von uns sie kennengelernt hat. Einfach komisch. Ich habe gerade versucht nachzudenken und zu reflektieren, dass es ja sonst anders war… und jetzt… aber ich habe dissoziiert… bzw. dissoziiere jetzt. Großartig. Geht nicht. Es ist wie … wow. Tut mir leid, ich kann da einfach nicht hin. 

Egal.

Jedenfalls: Mitte Januar haben wir einen Termin beim Traumahilfezentrum bekommen, erst ab 12. Januar können wir auch wieder zu Frau Blume. Heute hat uns Lydia zu sich nach Hause eingeladen abends, auf Glühwein und Plätzchen und eine kleine Bescherung. Ihre Nichte *Emma (13) ist auch dabei. Mit ihr haben wir ja schon ein paar Mal bei Lydia ausgeholfen und verstehen uns super mit ihr. Ich glaube das wird ein schöner Abend. Morgen ist der erste Tag seit Wochen (glaube ich), wo wir mal wirklich abends gar nichts vorhaben und ein wenig entspannen können. Am Freitag werden wir dann bei Cia schlafen, weil wir da ja Geburtstag haben. Und am Samstag machen wir in der Früh die Bescherung miteinander – danach gehts jeweils zu unseren Familien. Cia und ihr Freund zu ihren Eltern, wir zu unseren Eltern und Belinda zu ihren Eltern. Und dann haben wir erst einmal gar nichts mehr vor. 

Sobald Finjas Eltern wieder abgereist sind, wollen wir ein paar Tage zu ihr 🙂 

 

Antrieb und Mut

Am Wochenende hat bei uns endlich der Schnee „hallo“ gesagt. Ich bin ganz begeistert von dem Glitzern im Dunkeln. Es war wunderschön, als ich von Freitag auf Samstag bei Finja geschlafen habe und sich draußen dann die ersten dicken Schneeflocken über die Landschaft gelegt haben. Ich bin ganz hin und weg von dem Ort, wo Finja wohnt. Die Berge sind viel näher als bei uns (dabei wohne ich nicht weit weg von der Zugspitze) und wir haben wunderschöne Bergpanoramas, aber bei Finja sind sie doch noch greifbarer. Dann der See in unmittelbarer Nähe, die schöne, kleine Stadt mit den verwinkelten Häusern und die süße Kirchturmspitze, die man von ihrem Balkonfenster aus sieht – es hat ein riesengroßes, heimeliges Gefühl in mir geweckt. *Balou (ihr Hund), lag auf seinem Platz auf der Couch, ich hielt eine fette, norwegische Teetasse (die sie von einer ihrer Reisen mitgenommen hat), mit dampfendem Wasser in der Hand und habe mich gefühlt wie Zuhause. Einfach toll! 

Am Freitagabend haben wir nicht mehr viel gemacht. Bin erst um 20 Uhr bei ihr gewesen, wir haben uns auf die Couch gekuschelt und viel geredet. Darüber, wohin sie nächstes Jahr reisen möchte, über mein Gespräch mit Svenja. Sie war schon sehr müde, deshalb waren wir gegen 22:30 Uhr schon im Bett. Am Samstag haben wir ganz in Ruhe gemeinsam gefrühstückt – und während sie duschen war, habe ich eben den Blick aus dem Fenster auf die Winterlandschaft mit warmem Tee in der Hand genossen. Danach war ich duschen und wir sind aufgebrochen, um Jimmy abzuholen und die Zusammenführung mit den beiden zu testen. 

Der erste Anlauf ist fast missglückt. Als ein dritter Rüde unerwartet dazukam, ist Jimmy Balou gegenüber sehr dominant geworden und aus dem Spielen wurde Jagen. Wir haben es abgebrochen, beide an die Leine genommen und sind ein Stück spazieren gegangen. Ich war sehr, sehr, sehr gestresst, äußerlich werde ich dann aber immer ruhiger. Uns ist ein ganzes Rudel an Hunden entgegengelaufen und Jimmy war absolut reizüberflutet und unentspannt. Da ich aber nach außen hin immer ruhiger wurde, ist Jimmy  sehr schnell wieder runter gekommen. Ich habe einfach ganz konsequent mit ihm trainiert. Nach ca. 15 – 20 Minuten haben wir sie noch einmal aneinander gelassen und es war ein wunderschönes, abwechselndes Spiel zwischen den beiden. Ich wurde dann auch viel entspannter, weil Jimmy ja eigentlich ausgerechnet mit schwarzen, großen Rüden gar nicht gut auskommt. Außerdem, seit er damals (ich glaube, das war 2019), den Überfall miterlebt hat (Lämmchen) ist er sehr unberechenbar. Auch, was Menschen angeht. Wenn sie zu überstürzt handeln, schränkt er sie ein. Als Toni am 31. Oktober (da war Cia zu Besuch), mit einem Schuh nach mir werfen wollte, ist Jimmy von seinem Platz aufgesprungen, an ihm hochgesprungen und hat in seinen Pulli gezwickt. So reagiert er auch bei einigen Männern oder Frauen. Meistens kann ich schon einschätzen, bei welchen Menschen ich ihn sehr kurz halten muss. Im Grunde fühlt sich dieses Verhalten von ihm sehr sicher an, wenn ich ehrlich bin. Aber natürlich darf er das nicht, weshalb ich schon sehr mit ihm trainiere, dass er das irgendwie wieder loswird. Und seit diesem Vorfall hat er eben auch ein Problem mit gewissen Hunden. Den Zusammenhang dazu habe ich noch nicht erkannt. 

Das Treffen mit den Beiden war also toll! Es ist noch nicht 100 % entspannt, deshalb werden wir noch ein paar Mal diese Aufeinandertreffen kontrolliert üben und sobald Finja mit Balou mal zu Besuch kommt, möchte uns meine Hundetrainerin auch unterstützen (sie ist große Klasse). 

 

Als wir letzte Woche in meinem Lieblings Café waren, waren nur Menschen da, die wir kannten (in der Regel ist das nicht so). Aber jeder der reinkam, begrüßte mich total freundlich und erfreut, meistens waren es Menschen, die ich schon lang nicht mehr gesehen habe. Das hat bei Finja irgendwie den Eindruck erweckt, ich wäre hier total bekannt und jeder würde mich lieben. So ist das ganz gewiss nicht. Habe ich ihr auch ganz klar gemacht. Gegenüber von uns saß dann einer, den habe ich zwei Jahre nicht mehr gesehen – mit einem Kollegen. Und dann rief er über den Tisch hinweg: 

„Entschuldige, dass ich euch unterbreche – aber hey, Mii! Was macht dein Buch?“

Nach wie vor: Ich bin gottfroh, dass ich nicht rot werden kann. Ich habe Finja natürlich nie erzählt, dass ich ein Buch geschrieben habe… Und er wusste aber davon, weil ich dieses Buch ja immer nur auswärts geschrieben habe. Also, in Cafés, draußen beim Picknicken, auf einer Bank, im Restaurant, etc. Und ich glaube ihn habe ich  mal im Internetcafé getroffen. Jedenfalls… Finja hielt meine Hand und drückte leicht und ich versuchte sie einfach auszublenden. 

Als er sich dann wieder an seinen Kollegen gewandt hat, lächelte Finja mich vielsagend an und meinte: „Du weißt schon, was jetzt meine nächste Frage sein wird.“

Ich konnte ihr gar nicht in die Augen schauen. Ich weiß nicht wieso. Ich finde es immer sehr… nicht beschämend, aber es macht mich extrem verlegen darüber zu reden, dass ich gerne Geschichten schreibe. Das klingt immer so nach  einem schmalen Grat zwischen „kleines verträumtes Mädchen“ oder „möchtegern Poetin“… 

Letzten Freitag  lagen wir dann im Bett und sprachen über den Ort, wo ich wohne und Finja fragte, ob es überhaupt jemanden gäbe, der mich nicht mögen würde (überspitzt). Ich meinte, sicher gibt es das, aber man gibt sich ja in der Regel mit Menschen, die einen nicht mögen oder die man nicht mag, nicht ab, oder? Dann meinte sie, es berühre sie, wie sehr ich strahlen würde, wenn ich über die ganzen hilfeberechtigten (behinderten) Menschen spreche, denen wir teilweise auch begegnet sind. Besonders diese Leute freuen sich immer sehr, wenn sie mich sehen. Und ehrlich gesagt geht mir bei denen auch immer doppelt das Herz auf, weil sie einfach so authentisch sind und es ist so faszinierend zu sehen, über welche Kleinigkeiten sie sich freuen können oder wie einfach ihre Sprache sein kann. Das fehlt mir bei den „gesunden“ Menschen wirklich oft. Jedenfalls, durch dieses Wochenende, an dem sie bei mir war, gewann sie eben den falschen Eindruck, ich sei eine dieser romantisierten Main-Charakteren, die mit jedem auskommen und die überall beliebt sind. Das ist eigentlich ein völlig falscher Eindruck. Besonders in meiner Arbeit habe ich das Gefühl, dass mich niemand für voll nimmt und mich keiner wirklich gern mag oder sich freut, mich zu sehen, mit vielleicht drei Ausnahmen. Das wollte ich aber nicht sagen, weil ich finde, das klingt dann immer so nach falscher Bescheidenheit oder „keiner mag mich, also sag du mir bitte, dass mich sehr wohl jeder mag“. Brauch ich nicht. Sowas finde ich immer ganz unangenehm. Also habe ich ihren Eindruck einfach so stehen lassen, bzw. habe ich so einen kleinen Witz gemacht: „Na ja, wenn man sich für mich entscheidet, entscheidet man sich auch für mein ganzes Harem“. Und damit meinte ich eben alle Menschen, die mir am Herzen liegen.

Sie sagte aber, völlig unerwartet: „Dein ganzes Harem? Deine ganzen Persönlichkeiten?“ (P.S.: Sie wusste zu dem Zeitpunkt immer noch nicht, dass DIS bedeutet mehrere Persönlichkeiten zu haben). Ich musste aber sehr unerwartet laut auflachen, bin dann sofort vom Bett aufgesprungen, um aufs Klo zu gehen – weil ich auch wirklich musste. 

Am Samstagabend sind wir nach dem Hundetreffen dann noch in ein Restaurant gegangen – und dann gings unerwartet zur Sache. Nach dem Essen sind wir wieder auf Themen gekommen, über die ich nicht reden wollte oder die mir Angst machten (DIS). Ich wollte wieder ausweichen, merkte aber, dass es eigentlich blödsinnig ist. Also nahm ich Bezug auf ihre Aussage mit den Persönlichkeiten am Abend zuvor. Ich zeigte ihr ein paar sehr gute Einträge auf Instagram von einem System, das mich letztens übrigens zu Tränen gerührt hat in der Öffentlichkeit(!!!). Sie beschreiben in kurzen Sätzen sehr gut, was eine DIS ist – Finja war interessiert, fragte mich auch, ob alles, was so steht, bei mir auch zutrifft. Das hat mir gefallen, weil mir das zeigt, dass sie nicht automatisch von einer Aussage auf alle schließt, also, nicht in Schubladen denkt. So habe ich ihr ein bisschen erklären können, was bei mir anders ist. Was mich aber viel mehr überrascht hat war die Wendung des Gesprächs. Es ging dann nicht mehr um die DIS, sondern… wir haben uns ihr in Hinsicht unserer Traumata geöffnet, und das ist ja etwas, was wir sonst wirklich nicht tun. Nicht einmal mit Frau Blume konnten wir je so offen darüber reden oder überhaupt jemals so klar benennen, was wir erlebt haben. Übergreifend schon, ja: Also, wir können ganz sachlich sagen, es hat was mit Kinderp*rn*gr*ph* und s*x., rit. G*w*lt zu tun, aber nie haben wir von einem Erlebnis wirklich erzählt. Und dann auch noch von einem, das eigentlich relativ „aktuell“ ist. 

Wir kamen hauptsächlich auf das Thema, weil wir vorher darüber gesprochen haben wie es mich annervt, dass Menschen in ihrer Opferrolle stecken bleiben und die Schuld immer bei anderen suchen, sie aber nicht sehen, dass sie die einzigen sind, die etwas an ihrer Situation ändern können – und dass die Schuldzuweisung dem Betroffenen eigentlich kein Stück Erleichterung bringt. Und dass ich mich da aber nicht rausnehmen kann, weil mich zum Beispiel Themen in Hinsicht des Deutschen Strafgesetzes, also demnach auch viele Menschen die in dem Bereich arbeiten sehr, sehr stark triggern. So wollte sie dann natürlich wissen, wieso mich das so emotional macht. Und dann habe ich ihr das eben erklärt, und da floss „einfach so“ ein bestimmtes Erlebnis mit ein… 

Sie war dann jedenfalls sehr, sehr ernst. Ich hatte mords Kopfschmerzen und habe auch gemerkt, wie stark ich dissoziiert habe. Gott sei Dank waren wir in einem Restaurant – in der Öffentlichkeit sind wir zu funktional, als dass wir „zu krass“ abrutschen können. Das hatte zwar zur Folge, dass ich extrem erschöpft war und wirklich heftige Kopfschmerzen hatte (und ich glaube, dass wir auch gewechselt sind, weil zwei Situationen eigentlich überhaupt nicht zusammen passen, aber „direkt aufeinanderfolgend“ passiert sind). Nämlich die: 

Wie gesagt, wir wurden dann beide sehr ruhig. Ich, weil ich so depersonalisiert und dissoziiert war, von innen bebte und Kopfweh hatte. Sie sah einfach nur ernst ins Nichts, wirkte nachdenklich. Da ich körperlich so fertig war, konnte ich mich gar nicht damit beschäftigen Angst vor ihrer Reaktion zu haben oder irgendwas da rein zu interpretieren. Ich dachte mir nur die ganze Zeit: „Oh  Gott bitte, lass es mich wieder besser gehen!“

Sie nahm dann, während ich aus dem Fenster schaute (wunderschön übrigens!!! Dicke, weiße Schneeflocken die durch das orangefarbene Licht der Laternen fielen…), plötzlich meine Hand und küsste sie. Schenkte mir ein Lächeln. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mein Körper war immer noch nicht ganz da, sondern in diesem Zittern gefangen, aber äußerlich lächelte ich natürlich auch leicht und versuchte alles zu überspielen. Nicht für Finja, sondern wegen den ganzen anderen Menschen im Raum um uns herum. Und plötzlich war dieses Gefühl weg – deshalb glaube ich, dass da Zeit dazwischen ist, in der jemand anderes im Außen war. 1. ich hatte ein Getränk vor mir stehen und die Essensteller waren abgeräumt, die „gerade“ noch vor mir lagen. 2. Kopfschmerzen, Zittern, Dissoziieren waren verschwunden 3. die Atmosphäre zwischen uns war wieder so „leicht“ und ich meine, dass wir gerade über irgendwas gelacht hatten. (Klingt total absurd, wenn man das so liest, nicht? Für mich wirkte es ganz normal, aber so im Nachhinein merke ich halt, dass diese Situation direkt davor überhaupt gar nicht dazu passt 😀 ). Ich beugte mich dann zu ihr vor, nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie und meinte noch: „Ich hatte wirklich große Angst dir davon zu erzählen“. Und sie meinte: „Ich weiß, das habe ich bemerkt. Aber wovor hattest du solche Angst?“ Ich sagte, dass ich Angst hatte, nur noch als Problem gesehen zu werden, oder dass ich dann ein Problem bin. Und sie meinte: „Wieso du? Deine Diagnose finde ich viel weniger erschreckend, als das, was passiert ist.“ Außerdem sei sie so unendlich wütend auf die Gesellschaft wegen dem Wegschauen und dem Nichtstun und eben auch, dass Menschen wie ich vor Gericht kaum Chancen haben. Bzw. was man sich von der Polizei für Fragen gefallen lassen muss – so, dass man nach einem „Verhör“ (kam mir zumindest damals so vor), sich selbst wie der Täter fühlt, weil: Wie kann man das zulassen, wie kann man es wagen jemanden ohne handfeste Beweise zu beschuldigen, wie kannst du dich nicht wenigstens versuchen zu wehren, wie kann man so blöd sein und nicht DIREKT DANACH BLUTEND ins Krankenhaus gehen und Beweise sichern lassen, anstatt sich zu duschen und ein Jahr lang in Selbstmitleid zu baden, bevor man sich vielleicht doch entscheidet Anzeige zu erstatten? Etc. (Kein Witz – solche Fragen und Vorwürfe muss man in solchen Vernehmungen aushalten – und unsere ging über zwei Stunden!). Mit welchem Fazit? Auf dem Brief steht (nicht Wort wörtlich, weil ich den Brief grad nicht zur Hand habe), aber, dass man Aufgrund meiner Krankheit davon ausgehen muss, dass jene Vorfälle nur Einbildung und Flashbacks von früher waren. 🙂 Ich will auf das Thema nicht weiter eingehen, weil wie gesagt, es ist Triggerpotential hoch 100, aber ich will trotzdem kurz noch sagen: Ich verlange natürlich nicht, dass man einfach zur Polizei geht, mit dem Finger auf jemanden zeigt und ohne Untersuchungen eine Person, die beschuldigt wird, direkt hinter Gittern kommt. Ich habe auch keine Ideen, wie es besser laufen kann, deshalb versuche ich mich auch immer so zu rügen, aber es triggert halt. Vielleicht der Umgang mit den Opfern – aber ich wüsste nicht, was sich ändern müsste, damit Betroffene solcher Vorfälle „sanfter“ behandelt werden können. Denn mit den aktuellen Gesetzen haben die Polizisten keine andere Wahl, als so schädliche Fragen zu stellen…

Nach diesem schweren Gespräch hatten wir dann aber wieder auch ganz schöne und einfache Gespräche – irgendwann um 22 Uhr kam Cia dann vorbei, sie hat Finja kurz kennengelernt. Noch kurz haben sie miteinander gequatscht, dann ist Finja aber zu Freunden aufgebrochen und ich bin mit Cia noch bis 1 Uhr nachts in dem Lokal geblieben und wir haben soooo viel gelacht wie schon wirklich, wirklich lange nicht mehr. Ich hatte am nächsten Tag sogar Muskelkater im Bauch (kein Witz!). Ich liebe Cia einfach unendlich. Wir hatten zwar anfangs auch noch ein sehr, sehr anstrengendes Gespräch, weil sie seit über einem Monat sehr betroffen ist von dem Verhalten ihrer besten Freunde (Mädels, die sie seit über 5 Jahren kennt)… Ist eine andere Geschichte. Und sie zurzeit mit dem Gedanken spielt, den Kontakt komplett abzubrechen. Sie meinte, es täte ihr so sehr weh, dass die beiden sie einfach nicht wahrnehmen oder ernstnehmen und ihr ihre Gefühle absprechen und so tun, als würde sie alles nur überdramatisieren. Wir haben ihr die letzten Wochen immer wieder ein paar Ratschläge gegeben, wie sie damit umgehen könnte oder wie wir damit umgehen würden und dann haben wir auch an dem Samstagabend eben darüber gesprochen, dass sie vielleicht einfach noch nicht so weit sind. Ihre Freundinnen können nicht einmal ihre eigenen Gefühle wahrnehmen oder auf sich achten und für sich sorgen, sondern gehen immer in ein Vermeidungsverhalten, ohne das jemals zu reflektieren, wie sollen sie das dann bei Cia können, wenn sie es für sich selbst noch nicht einmal gelernt haben?  Ich denke übrigens schon, dass viele Menschen erst einmal an diesen Punkt kommen müssen, wo sie mehr als nur am Boden liegen (ihrem bisherigen Leben angemessen*) um eine gewisse Selbstreflektion zu entwickeln und dann auch fürsorglicher, oder viel eher heilsamer, mit ihrem Umfeld umgehen zu können. Außerdem glaube ich auch, dass es auch davon abhängt, was für Menschen man kennenlernt und mit welchen man in Beziehung geht. (* – damit meine ich, dass nicht jeder irgendeine lebensbedrohliche oder folternde Erfahrung machen muss. Menschen, die recht behütet aufgewachsen sind, können auch schon „nur“ durch den Tod eines geliebten Menschen oder Liebeskummer in eine existenzielle Krise geraten, die für ihren Maßstab nicht weniger schlimm ist. Ich hoffe, das ist jetzt verständlich genug ausgedrückt, ich will dazu nämlich nicht einen extra Eintrag schreiben müssen :D) 

Aber nach dem Gespräch hatten wir jedenfalls wirklich nur noch einen sehr, sehr lustigen Abend. Und übrigens bin ich auch total happy, weil bis jetzt sowohl Cia als auch Lydia einen sehr positiven Eindruck von Finja haben. Das war sowohl bei Severin, als auch bei Nikki nicht so… da haben interessanterweise immer alle gesagt, dass sich irgendwas für sie nicht stimmig anfühlt… Naja, bei Severin war es ja offensichtlich. Aber bei Nikki haben wir es glaube ich nicht verstanden, weil sie zu uns ja immer sehr gut war. So wie es aussieht, wissen aber Menschen, denen man nahesteht, doch manchmal schon vorher besser, wer oder was einem guttut. Das hat ja damals schon mit Frau Honig angefangen. Schon im Dezember 2019 meinte sie, dass sie mit uns keine Therapie machen kann, weil sie Ari als sehr „übergriffig“ wahrnimmt und sie „ausbootet“. Das haben wir ja ewig nicht gesehen… bis wir ein halbes Jahr später gemerkt haben, dass ihr Verhalten nicht förderlich für uns war. Wir wollten es damals so! Keine Frage, deswegen machen wir Ari keine Vorwürfe. Aber ich sehe im Nachhinein, dass es uns kein bisschen geholfen – im Endeffekt sogar eher geschadet hat. Und wir waren super schockiert als wir dann reflektierend gemerkt haben, dass Frau Honig nach nur vier Wochen gesehen hat oder prophezeien konnte, was passieren wird, was wir erst nach einem halben Jahr (mindestens) erkannt haben. Das ist wirklich erschreckend. 

Unsere Freunde kennen uns einfach in manchen Phasen besser, als wir uns selbst (besonders, wenn wir uns selbst fremd werden oder uns von uns selbst entfernen). Und in den letzten zwei bis vier Jahren waren wir meistens mehr als nur von uns selbst entfernt. Natürlich hatten wir glaube ich auch Phasen, in denen es besser lief, sonst hätten wir ja nie die Erkenntnisse gehabt, dass uns bestimmte Beziehungen oder Personen (außerhalb des Täterkreises) nicht guttun, aber sie waren eher rar. Und dann waren eben unsere Freunde immer unsere bessere Hälfte. 

Aktuell haben wir eben wieder so eine Phase, in der wir ganz vieles viel klarer sehen (ohne zu leugnen, denn wir kümmern uns immer noch nebenbei um einen Platz bei der Ausstiegsbegleitung und haben jetzt auch endlich die letzte Unterschrift für die ABW – und gehen zur Therapie und halten Frau Blume immer noch auf dem Laufenden). 

Ich bin im Moment auch über die Wut auf meinen Arbeitgeber hinweg. Wir haben viel Zeit gebraucht, um das zu verdauen, aber sind jetzt eigentlich sogar eher dankbar, weil wir nun sehen, wo es lang gehen kann. Durch viele Gespräche mit Kolleg:innen, ehemaligen Betreuern oder Freunden, die uns schon lange kennen, haben wir auch wieder mehr Selbstvertrauen gefasst. Wir wissen ja, was wir können und wir wissen, dass wir für einen Arbeitgeber eine echte Bereicherung sein können, weil wir wirklich sehr gute Arbeit leisten, wenn man uns die Möglichkeit dafür gibt. Hier haben sie uns nach der Ausbildung nur noch klein gehalten und uns nichts mehr zugetraut. Wir sind „eingeschlafen“, weil wir uns so davon haben beeinflussen lassen. Jetzt suchen wir aktuell neue Jobs in einem jüngeren Team, das mehr auf Augenhöhe mit uns umgeht und wir freuen uns wirklich, einem anderen Arbeitgeber der uns mehr wertzuschätzen weiß, dann auch unsere Leistung anbieten zu können. Wir wollen hier jetzt noch einmal richtig einen Zahn zulegen, damit sie alle gucken können, was wir eigentlich schaffen, wenn man uns einfach mal lässt. Und dann schließen wir mit diesem Arbeitgeber ab. Es gab eh schon immer viel zu viel, was uns sehr gestört hat und es wird ja selbst jetzt, obwohl sie die Möglichkeit für Veränderung hätten, nicht besser. Es wird also auch für uns Zeit zu gehen, wenn wir wachsen wollen. Sonst bleiben wir mit ihnen stehen. (Der neue Geschäftsführer ist schon wieder so alt (ca. 60?) und ein Mann …., nur als kleines Beispiel)… 

Ich habe die Schnauze voll von den Leuten hier und von dem Stillstand der hier existiert. Ich will raus in die Welt und herausfinden, was ich noch so alles kann. Ich glaube schon, dass ich das mit der richtigen Unterstützung schaffen kann. Und die habe ich ja. 

Ich mag es zum Beispiel sehr, für Billy zu arbeiten, aber die ist ja ab Januar auch nicht mehr meine Chefin. Die Arbeit mit Billy würde ich schon als sinnvoll, voranschreitend und vor allem auf Augenhöhe beschreiben (sie traut mir auch viel zu) aber davon habe ich ja auch nichts mehr im neuen Jahr. Ich sitze zwar noch auf der Versetzungsliste und ich würde auch einen neuen Job innerhalb des Betriebs annehmen, aber nur, damit ich noch etwas Neues ausprobieren kann und vor allem, damit ich abgesichert nach einem neuen Job suchen kann. 

Was ich noch kurz erwähnen will: Meine Eltern versuchen mich massiv davon zu überzeugen, für ein, zwei Jahre zu ihnen zu ziehen, um Geld sparen zu können. Mein Vater: „Überlege dir das doch nochmal“ (sagt er seit Wochen jedes Mal) „Du hättest bei uns dein eigenes Zimmer, müsstest keine Miete zahlen und könntest einen Haufen Geld wegsparen. Vielleicht kannst du dann deinen Führerschein nachholen und du kannst unser altes Auto bekommen, das steht ja, wenn wir das Neue haben, sowieso nur herum. Du könntest viel einfach noch einmal neu starten, wenn du ein bisschen Geld auf die Seite gespart hast.“ 

Und ich muss sagen, dieses Angebot ist verdammt verlockend. Denn ich weiß, dass ich mit der Wohnung, die 60% meines Gehalts kostet, niemals für irgendwas wegsparen kann… aber gerade deshalb will ich versuchen einen anderen Job zu finden, vielleicht noch fünf Stunden mehr zu arbeiten und mehr zu verdienen – um selbst auch nicht in die Versuchung zu kommen, dieses Angebot meiner Eltern anzunehmen. Deshalb ist es ja gut, dass ich diese Perspektiven habe: Mich aktiv für einen neuen Job zu entscheiden, der mich besser bezahlt und im besten Fall auch auf Augenhöhe mit mir ist. 

Übrigens: Unsere Innenkinder werden etwas aktiver. Das ist vor Weihnachten immer so und meistens auch recht schön, weil uns die kindliche Vorfreude mit ansteckt. Viele Trauma-Anteile wirken gerade auch viel näher. Es ist eine Art Wachsamkeit da, aber zumindest merke ich, dass unser Tatendrang und unsere Lösungsorientierung eine gewisse Ruhe(?), Sicherheit(?), bisschen Mut(? – ich kann das Gefühl nicht deuten, weil es doch noch zu weit weg ist) im innen auslösen. Das ist total spannend… weil wir ja seit unserer Ausbildung nicht mehr etwas so sicher in die Hand genommen haben oder nehmen wollten. 

 

 

Jetzt hat es mich doch erwischt

Wusstet ihr, dass Verliebtsein und Angst aus medizinischer Sicht ähnliche Situationen sind? In beiden Fällen wird der Körper in „Alarmbereitschaft“ versetzt, was zur Ausschüttung von verschiedenen Botenstoffen, wie z.B.: Adrenalin führt. Das verschnellert den Herzschlag, was wiederum ab einer bestimmten Frequenz von den meisten Menschen wahrgenommen wird. Dann spricht man von Herzklopfen. (Quelle: Wissenschaftsjahr.de)

Und ich muss echt sagen: Kacke, gestern hat es mich erwischt. Wirklich wie man sich einen typischen Pfeil von Amor vorstellt. Finja haben wir ja jetzt nicht zum ersten Mal gesehen (ich ja auch nicht). Ich fand sie ja auch bei der allerersten Begegnung schon total schön. Von ihrem Lachen, ihrer Mimik, den strahlenden Augen, die sinnlichen Lippen, ihre kleine Nase, aber ich habe sie halt einfach schön gefunden, wie man halt viele Menschen schön finden kann. Wir haben uns ja auch beim ersten Date geküsst, aber: Es war arschkalt und ich habe nicht so viel wahrnehmen können, außer der Kälte und vielleicht eben dem Gefühl ihrer Lippen und, dass der Kuss recht schnell harmoniert hat. Aber erst am Dienstag, also einen Tag später, als wir bei ihr waren und dann mehr von ihr wahrnehmen konnten, also besonders bei den Küssen: Wie sie riecht, wie sie aussieht, die Wärme, das Kuscheln, ihre Blicke, ihr Geschmack… erst da habe ich oder wir dann diese Anziehung auch empfunden. Grundsätzlich haben wir das übrigens nie, dass wir einen Menschen auf einen Schlag anziehend finden. Ich frage mich aber, ob das überhaupt bei jemandem so ist?

Und wir haben ja am Mittwoch dann auch das erste Mal miteinander geschlafen, also… es ging alles sehr schnell und es war alles sehr schön. ABER. Erst gestern, als sie uns angerufen hat und ihr Gesicht auf unserem Display erschienen ist (Also Videocall), ist mir auf einen Schlag das Herz in die Hose gerutscht. Ich dachte mir in derselben Sekunde, wie ich die Gefühle wahrgenommen habe: „Gesegnete Scheiße was passiert hier denn jetzt? Ich seh sie doch nicht zum ersten Mal!“ Alter, alter, alter! Mein Herz hat auf einmal gerast wie blöd, ich war ultra nervös, konnte sie kaum anschauen und habe mich echt wie so ein pubertärer Teenie gefühlt, der komplett durchdreht. 

Ich glaube, dass Hanna und Kara erzählt haben, dass wir bei Nikki dieses Gefühl von Geborgenheit so hatten (ich habe keine echten Erinnerungen an sie, nur Fotos, und die machen sie mir ein bisschen „lebendig“ im Kopf)… und dass diese Sicherheit da war. Aber was ich so krass und komisch finde: Niemand von denen (also zumindest nicht in unseren Tagebüchern und hier im Blog habe ich auch nichts gefunden), hat je über dieses Herzklopfen und die Schmetterlinge im Bauch oder Anziehung geschrieben. Wie kann man sich denn da verlieben? Waren wir wirklich verliebt oder haben wir (Hanna, Kara & Co) sich nur sehr wohl und angenommen bei ihr gefühlt? Ich kanns nicht beantworten, wüsste es aber gerne. Ich meine, jeder liebt anders. Aber dieses Gefühl von Herzklopfen usw. ist doch eigentlich ausschlaggebend. Oder auch die Anziehung! Ich könnte niemals mit einem Menschen schlafen, egal wie attraktiv oder sogar schön ich sie/ihn finde, wenn die Anziehung nicht da wäre! Finde ich total absurd. 

Egal, ich will das gar nicht miteinander vergleichen, es ist nicht wichtig, denn wir fühlen jetzt das, was wir jetzt fühlen. Es hat wirklich keinen Wert darüber nachzudenken was bei anderen anders war oder nicht 🙂 Ich denke, wenn man etwas fühlt, und es sich richtig und authentisch anfühlt, darf man das auch fühlen. 

Ich habe auch gar keine Angst davor, weil, ja ich weiß, sobald man sich verliebt, macht man sich verletzlich und entwickelt auch viele Ängste, aber das sind für mich keine Gründe deshalb die Gefühle nicht zu genießen weil es soooo toll ist. Und Verletzungen die dadurch entstehen oder Ängste, die dabei hochkommen, können auch eine mega gute Möglichkeit sein, Themen bei sich anzuschauen, die man sonst nicht gerne anschaut. 

Finja hat uns für das Wochenende eingeladen, mit ihren Freundinnen auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen. Ich bin etwas nervös, weil zwischen Finja und uns biologisch auch schon wieder 12 Jahre liegen… (was man ihr aber nicht ansieht – ich wusste es vorher auch nicht, ich schwörs!). Und ich habe dann immer Angst, aufgrund des Alters direkt verurteilt zu werden, aber… im Grunde will ich nicht darüber nachdenken, weil eigentlich: Das Alter wird nicht ausschlaggebend dafür sein, ob wir uns sympathisch sind oder nicht. 

Ich meinte dann, als wir endlich abgemacht haben wie das Wochenende ablaufen soll, total strahlend: „Ich freu mich so!“ und dann direkt Pokerface: „Natürlich nur ein ganz kleines bisschen. Ne, eigentlich freue ich mich nicht, ihc bin tiefenentspannt. Total cool.“ Und wenn Finja dann so grinst über das ganze Gesicht (sie hat echt ein sehr einnehmendes Lachen/Lächeln), dann macht mich das noch nervöser 😀 Und ich meinte: „Ich freue mich nur über den Weihnachtsmarkt. Und den Glühwein.“

Ironisch natürlich. Das ist sowieso ein kleiner Gag zwischen Finja und uns, weil sie letzte Woche irgendwann meinte „nur noch zwei Mal alleine schlafen“, und wir schrieben: „Da vermisst mich wohl jemand…“  und sie „Vielleicht. Ein kleines bisschen.“ Und wir: „Ich dich auch. Ein klitzekleines bisschen.“ Und sobald wird  gefühlsdusselig werden beim Reden oder wenn wir schreiben, korrigieren wir uns direkt mit steinharter Coolness, wissen aber im Grunde genau, dass es nicht so ist.

Gestern meinte sie dann: „Du darfst ruhig sagen, dass du dich freust. Ich freue mich auch sehr.“

Ich hätte am liebsten ihr Gesicht durch den Bildschirm gepackt und sie so fest geküsst, dass es wehtut 😀 

Als ich oder wir (ich glaube ich war nur im Co-Bewusstsein), vor paar Tagen die Folge mit Alain de Botton angeschaut haben, meinte er irgendwo, dass man aufpassen sollte bei der Zeit des Verliebtseins, weil man natürlich den Menschen durch eine rosarote Brille sieht, obwohl niemand perfekt ist. Und dass er findet, dass man bei den ersten Kennenlernen nicht über die Tollen und Aufregenden Seiten sprechen sollte, sondern direkt versuchen sollte die erste Dates mit ein etwas weniger turbulenter Romantik zu beginnen. Wie zum Beispiel: Was sind Eigenschaften an dir, die mich totaaaal zum Ausflippen bringen könnten? Ich weiß nicht, inwieweit das etwas psychologisch bei einem Menschen in der Verliebtsein Phase macht, aber ich fand grundsätzlich die Ansätze von De Botton super harmonisch und schön 🙂 Das ist übrigens der Talk: Liebe, Romantik und Alltag – Allain De Botton im Gespräch

Na ja, ja, jedenfalls, ich gebs zu ich bin verknallt, und finde es kein bisschen schlimm. Weil eben jeder Mensch ein fühlendes Wesen ist und solange man dabei nicht in Extreme verfällt, ist das absolut schön. Ich genieße es zumindest total 🙂 Es darf grad gerne so sein wie es grad ist, vor allem so völlig unverbindlich. (wobei seit meiner Erkenntnis mit dem „fuck, Insekten im Bauch“ hab ich gerade kein Interesse an Dates mit anderen Frauen mehr. Also, schon am Kennenlernen von Menschen, aber nicht mehr zum Flirten. Das macht grad mit Finja die größte Freude die ich grad gewünscht hätte.

Am Sonntag treffe ich mich übrigens mit der Kunsthistorikerin, mit denen andere Systeme sich schon paar Mal getroffen und darüber geschrieben haben. Ich bin super gespannt auf sie und habe heute sogar von dem Treffen geträumt. Was super witzig ist: Ich habe keine Ahnung wie sie aussieht, obwohl Jill irgendwo geschrieben hat, sie hätte blonde Haare und hellbraune Augen, fast wie Honig? (Und jemand anderes hat in irgendeinem Eintrag geschrieben, sie häte „blonde“ Augen). Aber ich habe von einer rot-blond-haarigen Frau geträumt. In meinem Traum war sie recht groß, herzförmiges Gesicht… freundliche Augen… Die Haare waren sehr lang und leicht wellig. Ich finde es echt schräg zu wissen, dass unser Körper und unsere Augen, also auch MEINE Augen, diese Frau schon paar Mal getroffen haben, und ich trotzdem nicht weiß wie sie aussieht. Ich bin super gespannt aber sie klingt total sympathisch. Sie schreibt mir übrigens manchmal SMS mit so .. wie nennt man das? Zeichenkunst? Also Kunst in Form von Tastaturzeichen. Oder macht so Wortspiele wie.. 1 Raupe, 2 Apfel, 3 …? 

Und ich (bzw. Lämmchen) hat dann zurückgeschrieben: 3 Haselnüsse für Aschenbrödel! Darauf hat Louise nur ein Zwinker Smiley geschrieben. Sie schreibt nie viel. Hält sich immer sehr kurz, aber es macht super Spaß. 

Ich freue mich schon richtig, sie kennenzulernen. Ich bin echt gespannt ob das stimmt, dass sie wie ein „laufendes Wikipedia“ ist, wie Kara oder irgendwer irgendwo mal geschrieben hat (weiß nicht ob hier, oder in unseren Tagebüchern). 

 

 

Beziehungen

Ich} habe mir ja schon immer viele Gedanken über Beziehungen gemacht… Wieso das zuletzt so ist, weiß ich nicht. Übrigens: ich bin nicht die, die gestern oder vorgestern geschrieben hat 😀 Aber wir haben die Abmachung, dass wir versuchen uns jetzt ein bisschen an Wünsche von Anderen zu halten – also so, dass halt die wenigste Unzufriedenheit herrscht. Keine Ahnung, wie soll ich das erklären? Wenn ich merke, dass Fliege zum Beispiel unbedingt ihren Teil zu einem Thema beitragen will, versuche ich sie anzuhören und dann quasi für die hier zu schreiben. Das Ding ist, dass wir (die von gestern und vorgestern ist übrigens eine Art Fusion von Jola und jemandem, den ich nicht kenne – und Jola war ja bis 2018 eine unserer typischsten Alltagspersonen – egal, komplizierteres Thema). Aber eben deshalb will sie einfach nur so angesprochen werden, wie der Ausweisname (so identifiziert sie sich ja eigentlich auch, bloß, dass wegen der Abspaltung 2018 sie ja irgendwie nicht mehr gealtert ist, und plötzlich ist sie doch so alt wie unser Körper) Auch komplizierteres Thema. Nur, sie möchte ja eigentlich auch, dass wir das hier im Blog nicht mehr so „aufdröseln“, weil wir das im echten Leben ja auch nicht tun: Sprich, ich rede im echten Leben nie in der Mehrzahl und im echten Leben würden wir auch nie zulassen im Kontakt mit Anderen, dass Innenkinder einfach bei jedem so mir nichts, dir nichts, nach außen springen. Bzw., klar kann das passieren, aber dann würden wir in den seltensten Fällen zulassen, dass sie demaskiert sind – es ist immer, immer, immer jemand Älteres dabei. Klar, okay – die Zeit vom 15. – 20. November war eine Zeit wo jetzt niemand der Außensystem-Erwachsenen anwesend waren, aber Rieke hat ja selbst erzählt, dass es oben welche gibt, die trotzdem immer alles „sehen“ und beobachten können. Ich weiß die Daten übrigens deshalb so genau, weil ich im Kalender nachgeschaut habe, wann wir bei der Ambulanz waren und weil ich mich erinnern kann, dass ich an einem Sonntag bei Cia aufgetaucht bin. Jola war ja eigentlich ein Teil in unserem kleinen System und hat sich ja komplett abgelöst in der Klinik damals. Ich kann nicht erklären wie sowas funktioniert oder was das alles so neurologisch oder psychologisch zu bedeuten hat, aber Jola war ja dann wie so ein schwebendes Wasauchimmer zwischen allen Systemen, konnte und wollte nicht mehr im Außen sein, hatte dafür aber immer den allerbesten Überblick über Veränderungen und Aktivitäten bei uns im Außensystem. Ich bin übrigens aktuell in einer Fusion mit Mika und finde das ganz eigenartig. Vor vier Jahren hätte ich noch gesagt, so etwas existiert bei DIS nicht. Weiß nicht, ob sich jemand hier erinnert, aber viele von uns, nicht nur ich, haben schon oft gesagt, dass wir nicht daran glauben und überzeugt sind, dass etwas, was getrennt voneinander lebt, nicht integrieren kann. Aber irgendwie glaube ich das jetzt doch. Weil ich spüre Mika nicht einfach wie Mika, als würde sie neben, hinter oder über mir stehen, sondern irgendwie… kann ich keine große Schwelle zwischen uns beiden erkennen, irgendwie, als würden wir ineinander übergehen. Schwer zu erklären. Und ja, das ist irgendwie so plötzlich passiert und keine Ahnung, ob sich das auch wieder auflösen kann oder nicht, aber … ja. So ist das gerade.

Worauf ich aber eigentlich hinauswollte ist, dass ich mich auch bemühen möchte, hier nicht zu sehr in die Unterscheidungen zu gehen, sondern relativ ähnlich zu sein wie ich mich auch im Alltag gebe. Also, wie gesagt – niemals würde ich im Alltag so reden wie ich hier schreibe 😀 Deshalb versuche ich auch die Art von „Mii“ zu nutzen (Jola, die sich ja jetzt mit unserem Ausweisnamen identifiziert, aber für mich ist und bleibt sie Jola) – dass ich halt diese Zeichen benutze, die sie hier erklärt hat: „Über mich“. Also, ich versuche mich einfach genauso auszudrücken, wie in echt auch – nur dass ich halt hier ehrlich und offener sein werde, als wie ich es jemals in echt sein könnte. Einfach wegen so vielen Ängsten und papperlapapp. Ich bin bisschen noch unsicher wie ich mit dieser Form zu schreiben umgehen soll, weil wenn ich hier schreibe: ich wirke zurzeit abgeklärt, würde das ja in meinem Weltbild nicht stimmen, weil das ja eigentlich Mii ist, die so abgeklärt wirkt, aber so würde ich das ja in echt auch sagen. Und würde dann sagen: In mir drinnen sieht es halt vielschichtiger aus (auch wenn ICH sogar diejenige bin, die eigentlich NULL abgeklärt ist).. ach egal 😀 Aber eben:

Ich möchte gleich sagen, um zu beruhigen, nur weil ich}+ (:D) so „abgeklärt“ wirke gerade, also auch im schreiben, heißt das eben, wie im Beispiel schon geschrieben, nicht, dass ich} das auch bin. Aber das ist mir}+ zum Beispiel auch bewusst, weil ich merke schon, dass selbst wenn ich nicht im Außen bin und mich gesehen und gehört fühlen will, dass ich mich irgendwie trotzdem von … ähm… mir}+ (:D – also eigentlich von Mii) gesehen und gehört fühle. Die Art zu schreiben ist komplizierter als ich dachte… :‘) Ich bleibe vielleicht doch bei meiner vertrauten Form. Ich habe zwar etwas Angst, dass Finja irgendwann mal auf diesen Blog stößt und sich denkt: Gottgesegnete Scheiße ist die gestört! Aaaaber… im Endeffekt ist sie von „meiner“ zerstreuten Art hin und weg und das bin ich ja eigentlich eben nur, weil ich viele bin 😀 Also, never mind. 

Jedenfalls … weiß nicht mehr wo ich stehen geblieben bin……….. ähm………… ja egal. 

Aktuell machen wir uns eben extrem viele Gedanken über Beziehungen. Einfach weil es halt das ist, was man jeden Tag hat und eingeht, egal in welcher Form. Und wir haben ja jetzt bei der letzten Beziehung mit Nikki so viel über uns gelernt und eine Erkenntnis gehabt. Ja, ich finde es hat irgendwie echt lange gedauert (fünf Jahre mindestens, immerhin) – aber wir waren halt irgendwie auch in einem seeeeeeehr unheilsamen Umfeld. Und es ist so krass irgendwie, also, ich sehe das schon so, wie wir das gestern auch geschrieben haben, und das sagt aber auch wirklich jeder von uns: Das betreute Leben hat uns kein bisschen gut getan. Defacto hat es uns ja weder wirklichen Schutz geboten, noch psychisch stabilisiert und im Großen und Ganzen betrachtet, war es wirklich eine Zeit, in der wir komplett stehen geblieben sind in unserer Entwicklung. Bzw. wir uns halt total im Kreis gedreht haben. Ich schreibe im Großen und Ganzen, weil mir diese Nuancen zwischen „alles ist schlecht“ und „alles war prima“ klar sind. Wir hatten natürlich auch gute Erfahrungen machen können, besonders eben in den Beziehungen zu Gw oder im ersten Halbjahr mit Brh (bis dann Mitte/Ende 2019) so ein Betreuerumschwung kam. Und wir hatten außerhalb von dort auch eine unglaublich gute Erfahrung in einer Klinik gemacht, wo wir ja unsere jetzigen Herzensmenschen kennengelernt haben. 

Aber: Die Menschen die uns wirklich vorangebracht haben und uns in unserer Entwicklung unterstützt haben, waren in keiner einzigen Sekunde die Helfer vor Ort, sondern eben „normale“ und externe Menschen: Von Cia, Belinda und Bahira, bishin zu unseren „Liebes“beziehungen (im Nachhinein weiß ich, dass das, bis auf die mit Soula, nie eine Liebesbeziehung war – sondern ausschließlich egoistisch geprägt) – bishin zu unerwarteten Begegnungen oder Freundschaften, die wir geschlossen haben (Lydia, Eddy, Samira, Renee im Café, die Leute aus dem Bistro, wo wir sind, wenn wir nicht im Café sind, dann eben Louise, unsere Hundetrainerin oder andere Hundemenschen) … keiner von ihnen wusste oder weiß über mich und uns allen oder meiner Vergangenheit bescheid (Lydia haben wir uns glaube ich, wenn ich richtig gelesen habe – wer war das eigentlich? Jill? Kara? Irgendwie habe ich zu denen keinen Zugang grad) aber wir haben uns ihr ja erst dieses Jahr geöffnet und wir kennen sie seit aufgerundet ZEHN Jahren. Das ist echt verrückt. Wir waren als Jugendliche das erste Mal bei ihr! Es ist einfach wirklich verrückt. Ich meine, klar, dieses Jahr war das intensivste Jahr, in dem wir ja so oft bei ihr waren, weil wir ja auch in der Nähe gewohnt haben, aber… egal, was schreib ich da eigentlich, alles unwichtig 😀

Jedenfalls, wir sind überzeugt davon, dass uns die letzten vier Jahre eher geschadet als wirklich geholfen haben. Mit Ausnahme der Therapie bei Frau Blume – die ist einfach das Wertvollste, das wir in dieser Zeit haben kennenlernen dürfen. Kein Witz, ich bin dieser Frau so dankbar, ich könnte ihre Füße küssen. Ohne sie wären wir niemals zu diesen ganzen Erkenntnissen gelangt, die wir jetzt haben – auch nicht, wenn wir trotzdem Begegnungen mit anderen Menschen gehabt hätten. Weil nur durch Frau Blume haben wir gelernt, auf unser Innerstes zu hören, in uns zu gehen, unseren eigenen Gedanken nicht immer zu glauben, zu hinterfragen, aber unseren Wahrnehmungen und Gefühlen zu vertrauen. Niemals, niiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeemals halleluja haha 😀 hätte ich das vor zwei Jahren gesagt. NIEMALS! Ich muss sogar lachen, weil ich es so absurd, aber so toll finde! Klar, Probleme habe ich immer noch einen Haufen und das ist und war ja auch der Grund wieso wir gesagt haben, wir wollen keine feste Beziehung, weil wir eben nicht wissen, wo wir selbst überhaupt stehen. Aber es ist so ein anderer Wert, dieses Leben trotz oder… eben viel besser eher mit diesen Probleme zu leben! Es ist wirklich anders. Es fühlt sich wirklich anders an. Als es mir in dieser einen Woche so furchtbar ging, wo ich wirklich dachte, okay, hey. Könnte sein, dass ich morgen nicht mehr lebe, hätte ich nicht im Entferntesten gedacht, dass es vielleicht einfach an meiner Einstellung lag, dass nichts vorangeht, und nicht nur und hauptsächlich an den äußeren Einflüssen. Aber dafür habe ich halt die Kontakte und den Austausch mit Menschen gebraucht.

Jedenfalls geht es mir aus dem Nichts wieder gut – ich bin nicht mehr getriggert von dem Besuch beim Psychiater, habe nicht das Gefühl, dass die ganzen Probleme die mir noch anstehen, wie ein Berg vor mir ragen, sondern eher einfach wie ein Weg vor mir liegen und ich halt einige Steinchen wegpacken muss. Ich habe auch nicht mehr das Bedürfnis so viel Alkohol zu konsumieren oder sterben zu wollen… ich weiß nicht, inwieweit einiges davon sogar eher intrusiv war oder ob das wirklich ich war, weil ich nicht erklären kann – also eigentlich nie – wie das möglich ist, dass ich in einem total desolaten Zustand „einschlafe“ oder plötzlich eine Weile wie auf Drogen bin (dass ich alles im Co-Bewusstsein nur noch wie in einem zugedröhnten Zustand wahrnehme), dann wieder auftauche, und ich habe wieder Kraft weiterzumachen. Fast, als würde ich während dem „wegsein“ seelisch operiert werden 😀 Unser System hat ja einen sicheren Ort (keinen Inneren Ort, sondern einen den wir imaginär erarbeitet haben), nämlich Nebeltal. Und da haben wir einen Ort mit kleinen Ohms (so nennen wir die), das sind so kleine Waldgeister, die ähnlich wie bei Prinzessin Mononoke aussehen. Und ich stell mir vor, dass vielleicht, wenn ich „weg“ bin (ich kann mich ja an nichts erinnern, wenn ich wirklich inaktiv werde, also, ich bin da dann ja auch nicht am sicheren Ort, den kann ich mir nur in bewusstem Zustand vorstellen), dass ich dann aber zum Beispiel in meiner Vorstellung wie so Dornröschen irgendwo im Mohnblumenmeer liege (in so einem Boot) und dann diese Ohms kommen mit ihren Brillenputztüchern, mir den Körper sauber putzen und dann wache ich wieder auf und der Dreck ist weg 😀

Im Ernst – ich habe keine Ahnung wie das innen funktioniert… Es ist ja oft so, dass wenn ein ganzes System überlastet ist bei uns, es einfach komplett inaktiv wird und ein anderes aktiv wird (eigentlich übernehmen dann nämlich nicht die Kinder des noch aktiven Systems, so wie halt zuletzt), sondern wirklich ein anderes System. Und wenn dann das inaktive System wieder wach wird, gehts dem wieder „gut“ (im Sinne von, wieder neue Kraft). Aber da vergehen ja meistens echt teilweise Wochen, bis so eine Rotation in einem gesamten System stattfindet. Dass ich jetzt nur eine Weile abwesend war, unser System aber nicht inaktiv geworden ist und ich mich trotzdem voller Energie fühle, ist glaube ich (für mich zumindest) das aller erste Mal in meinem Leben so passiert. Echt komisch, aber saugut. 

Gestern habe ich mich ja mit *Svenja getroffen (sie ist 33, habe sie auch über das Internet kennengelernt), und es war super witzig, weil wir haben schon länger getextet und drei Lügen eine Wahrheit gespielt und abgemacht: Wenn sie falsch rät, bekomme ich ein Nutella Crepe von ihr und wenn ich falsch liege, kriegt sie einen Schokospieß von ihr. Wir haben beide falsch gelegen (wir waren auf dem Weihnachtsmarkt). Wir haben uns dann aber nur einen Schokospieß geteilt 😀 Unser Gespräch ging dann aber sehr schnell sehr deep und als wir später im Café saßen, waren wir so schnell bei dem Thema Liebe und wir haben eigentlich von 19 bis 23 Uhr nur über Beziehungen unter Menschen gesprochen. Was ein super krasser Zufall ist: Wir haben ja durch Soula damals das Mediale Aufstellen mitgemacht. Das ist wie Familienaufstellungen nur ohne Worte. Und da haben wir ja Jella und Nina usw kennengelernt. Über die haben wir damals, als der Blog noch ganz ganz frisch war und wir weder von der DIS wussten, oder als wir es wussten, noch nicht richtig damit gearbeitet haben, echt oft geschrieben. Jedenfalls waren wir ja bei diesen Aufstellungen fast ein ganzes Jahr jedes Wochenende. Also, das war freie Preisgestaltung damals noch. Das heißt, jeder durfte so viel geben wie er will in einen Umschlag ohne Namen. Und wenn man nichts geben konnte (wie wir, weil wir ja da noch in der Ausbildung ohne Gehalt waren :D) dann durfte derjenige einfach etwas zum Essen mitbringen. Deshalb habe ich an diesen Aufstellungen auch nie gezweifelt, weil es Jella nie um Geld ging. Und ich war damals sehr skeptisch und sehr im Kopf, aber ich wurde direkt bei der ersten Aufstellung total überzeugt, weil einfach sehr unerklärliche Dinge passiert sind. Weil, eben bei diesen Aufstellungen die so ohne Reden geschehen sind – weiß man ja nicht, was oder wen man stellvertritt. In den Aufstellungen bei Jella ging es eher darum, dass man Energien stellvertritt, als wirklich Familienmitglieder. Das heißt, manchmal wurde ich ohne irgendeine Emotion als Stellvertreter in die Mitte geholt und aus dem Nichts, wirklich aus dem NICHTS, kam auf einen Schlag eine Wut, eine Traurigkeit, eine irre Angst, Euphorie, Mut… aber NUR das. Es gab da nicht noch irgendwelche ambivalenten Gefühle, wie es sonst ist… sondern es war echt, als wären wir nur dieses eine Gefühl. Und das war so spannend, weil, man musste wirklich komplett aus dem Analysieren herauskommen. Also… zum Beispiel in einer Aufstellung war es so; wir werden in den Raum geholt (also in die Mitte vom Stuhlkreis/Halbkreis) und da stehen dann zb schon ein paar Menschen. Dann stehen wir erst einmal da und denken „ok, was soll ich jetzt machen?“… so typisch. Ist ja normal. Macht jeder Mensch… (aber da waren wir beim aller ersten Mal 19 glaube ich)… Dann habe ich aber versucht einfach aufzuhören zu denken, hab nicht hinterfragt was passiert und PLOPP es war da… so oookay. Und ich konnte es nicht benennen. Ich habe zum Beispiel auch oft meine Augen zugemacht und, es ist schwer zu beschreiben, aber es fühlt sich dann wirklich an, als würde etwas rechst oder links neben/an einem „bitzeln“… und dann habe ich mich halt von diesem unangenehmen Bitzeln wegbewegt. Wenn ich meine Augen aufgemacht habe, habe ich bemerkt, dass dort, wo ich diese „Energie“ eben gespürt habe, jemand stand, und gemerkt, umso näher er oder sie mir kommt (die Person stellvertritt in dem Moment ja auch nur eine Energie/Emotion oder Karma oder sowas), desto mehr wollte ich von ihm weg. Dann gab es Personen, wo ich mich erleichterter fühlte. Und das verrückte ist: Es lag ja nicht an der Person, nh? Also, ich habe mich in so einer Aufstellung schon einmal einem Mann an die Waden geklammert, weil ich mich bei dem so sicher gefühlt habe, den ich „im normalen Zustand“ niemals auch nur hätte umarmen wollen. Nicht weil er eklig war oder sowas, sondern einfach weil fremd und evtl. unsympathisch. Und eine Person, die im „normalen Zustand“ zum Beispiel wie Nina, super viel Geborgenheit in mir auslöst, hat während Aufstellungen Angst oder Wut ausgelöst. Also – man muss halt wirklich offen sein in solchen Sachen, das heißt.. wirklich die Menschen nicht als Person sehen, sondern verstehen, dass sie wirklich einfach nur eine Energie stellvertreten, mit der sie selbst oder irgendjemand im Raum in Resonanz steht. Und ja, ich weiß, es klingt bestimmt für alle die noch nie auch nur im Ansatz etwas damit zu tun gehabt haben völlig durchgeknallt, aber es waren viele dort, die anfangs genauso gedacht haben und skeptisch waren und diese Leute als „beeinflussbar“ oder „manipulierbar“ bezeichnet haben und selbst überzeugt wurden 😀 Also, falls das jemand noch nie getan hat und Vorurteile hat: Gerne einfach mal ausprobieren 😀 (kein Witz). Es tut niemandem weh, man wird zu nichts gezwungen und am Ende ist man eine Erfahrung reicher. Entweder, es ist was für einen, oder nicht. 😀 Wir fanden das damals eine hammermäßige Erfahrung und es hat uns halt wirklich einfach extrem den Horizont erweitert. Es gibt echt viel Verrücktes auf dieser Welt, was vielleicht gar nicht so verrückt ist, wenn man einfach annehmen kann, dass es das wirklich gibt. Ob man es selbst mag oder nicht. Da fällt mir ein guter Satz von Matthias Lohre ein: „Nicht, jene handeln unmoralisch, die anders denken, empfinden, aussehen, reden oder lieben als man selbst. Sondern diejenigen, die es anderen deshalb absprechen, dazuzugehören“ 

Egal, war jetzt echt ein langer Exkurs, ich wollte nur sagen: Der Kontakt der zu Jella verloren gegangen ist, fehlt uns enorm. (Der ist abgebrochen seit der Entlassung aus der Geschlossenen damals). Wir haben es irgendwie einfach nie geschafft sie wieder zu besuchen und mittlerweile verlangen sie auch Geld für die Aufstellungen, weil sie das jetzt auch wirklich Hauptberuflich machen. Ich bin mir zwar sicher, dass wenn ich mit Jella reden würde, und weil sie uns ja schon lange kennt, würde sie auch sagen: „Back einfach einen Kuchen“ 😀 Aber ja, egal, Jedenfalls: Svenja macht auch Aufstellungen 😀 Und ich meine, ja es gibt zigtausend Menschen die so etwas mittlerweile anbieten, aber ich finde soooooo viele davon sind Scharlatane… Wobei wir halt natürlich auch extrem misstrauisch sind. Aber Svenja war auch seeehr im Gefühl und wir trauen Menschen meistens dann am meisten, wenn sie nicht suggestiv sind. Und so war Svenja eben auch. Also sehr offen und frei im Kommunizieren. Und sie hat uns eingeladen, dass wir nächsten Freitag zu einer Aufstellung mitkommen dürfen und da haben wir sooooooooooooo Lust drauf, weil, die haben uns damals wirklich soooooooooooooooooooooooooo gut getan :‘) Und wir fanden es immer so schade, dass wir einfach nicht mehr dort hin konnten. Besonders weil Jella halt auch umgezogen ist und wir da direkt mit dem Zug mit drei Umstiegen vier Stunden unterwegs…. naja, aber wir wollen an unserem Geburtstag unbedingt in ihr Kaffee, das sie eröffnet habe. Das wollen wir uns schenken :3 Wirklich einfach nur den ganzen Tag in diesem Kaffee sitzen und lesen, schreiben und da sein. :3

Okay… ja, jedenfalls war der Abend wirklich extreeeeeem krass. Also, wir waren dann echt auch super erschöpft, weil, ja, Gedankenaustausch ist halt auch wirklich anstrengend. Besonders irgendwie wenn man so auf einer Welle schwingt. Wir haben dann auch Finja erzählt vom Abend, aber konnten ihr noch nicht über die Gespräche erzählen weil es noch so in uns gearbeitet hat, dass wir keinen klaren Gedanken fassen konnten und total verstreut waren. Aber was uns wirklich so am krassesten Hängengeblieben ist, war so das Thema Bindungen… und die „bindungsphobische Gesellschaft“. WICHTIG, damit sich niemand falsch verstanden oder ungesehen fühlt: Uns ist bewusst, dass es bei traumatisierten Menschen da noch mehr gibt, als nur das, worüber Svenja und ich uns unterhalten haben! Aber tatsächlich, und das ist vielleicht eine gute Nachricht, sind nicht „nur“ Traumatisierte bindungsängstlich. Das ist ein sehr aktuelles und weit verbreitetes Thema. Bei allen möglichen Menschen. Und das hat eben auch viel mit der Veränderung der Zeit, der neugewinnenden Sensibilität der Gesellschaft etc. zu tun. (Es gibt hierzu auch ein anderes Thema, ob wir uns aktuell in einer Lebensphase befinden, in der Empfindsamkeit in Empfindlichkeit umschwingt – das Paradoxon, wenn etwas Gutes „zu viel“ wird… – aber das ist auch ein Thema das will ich lieber Experten überlassen, ich habe denen nur zugehört: Die hypersensible Gesellschaft | Philosophischer Stammtisch | SRF Kultur) Da will ich mich noch nicht zu äußern, weil ich mich da noch nicht alle Argumente verstehe. Aber jedenfalls eines der Themen die wir gestern mit Svenja am Abend hatten war, dass es doch so schade ist, dass Menschen sich nicht mehr trauen Bindungen einzugehen (wir schließen uns nicht aus – haha, erst recht WIR nicht! :D), selbst, wenn das Gefühl zu einer Bindung da wäre. Und dann haben wir überlegt, ob es wirklich stimmt, dass, wie viele ja immer sagen, erst sehr spät Gefühle aufbauen, oder ob es nicht viel eher so ist, dass Gefühle eigentlich von Anfang an da sind (egal welche), aber man sie erst sehr spät zulässt. Weil Menschen eben fühlende Wesen sind, das sind Dinge die man doch nicht verhindern kann, nicht wahr? 

Und dass es doch so schade ist, dass „nur“ die Angst vor Verletztheit oder Enttäuschungen die Menschen daran hindert, wundervolle Dinge zu erleben (also eben in Beziehungen und Bindungen zueinander gehen). Eben, ja, weil man da natürlich quasi „fremde“ Menschen sehr, sehr nah und intim an sich heranlässt. Aber es ist das wunderschönste Gefühl der Welt, wenn man merkt, dass es so sein darf und dass, selbst wenn Verletzungen entstehen, es wertschätzende Arten gibt, über diese zu reden und gemeinsam darauf zu schauen, anstatt immer alleine und sich zu distanzieren. 

Übrigens, die Philosophen Federica Gregoratto und Alain de Botton sagen: Liebe ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung. 

Und ich glaube, dem kann ich voll mitgehen, weil: ich glaube genau das ist Liebe, sich zu trauen Bindungen einzugehen, so richtig tiefe, und auch hinter die Fassade der Menschen zu schauen. Und ich denke, dann kann man vielleicht unmöglich jemanden mehr hassen oder von Grund auf Verabscheuen (das will ich in Zukunft mal anschauen). Aber sich für die Liebe zu jemandem zu entscheiden, der Gefühle wie das verknallt sein, die Anziehen, eben das Herzklopfen, die Nervosität, Unsicherheit, usw. in einem auslöst – ich glaube das ist wirklich eines der mutigsten Dinge auf der Welt. (mir fällt gerade auf, dass die Gefühle bei Verliebtheit rein körperlich betrachtet wirklich exakt dieselben sind wie bei Angst… – muss ich auch mal tiefer drüber nachdenken :D, voll spannend 😀 ) Natürlich gehört da auch Freude, Euphorie, Geborgenheit etc dazu. Aber die kann man ja auch nicht körperlich definieren. Also, mein Herz schlägt vor Vorfreude und Glück genauso durchgeknallt wie bei Angst oder Aufregung. Der Körper macht (bei uns zumindest) da echt keine Unterschiede. Witzige Feststellung für uns gerade… muss ich echt mal näher nachdenken darüber… egal. 

Jedenfalls… zum Beispiel, mich dazu zu entscheiden, meine besten Freunde von ganzem Herzen zu lieben, war kein bisschen schwer. Weil sie all diese Gefühle nicht in mir ausgelöst haben, die eine Person, in die man sich verknallt, eben eine gewisse Macht verleihen. Ich meine, wie krass ist das denn? Ich denk mir, krass, wieso ist das so? Wieso traut man sich nicht einfach Beziehungen einzugehen? 

Es gab da auch in einer Diskussionsrunde mit mehrere Philosophen (und Psychologen glaube ich), in der gesagt wurde, dass wegen der großen Auswahl an potentiellen Partnern ein Grund für die bindungsphobische Gesellschaft ist, dass man selbst in der Partnerschaft denkt: „Es könnte jemand Besseres kommen“.

Aber, und da finde ich Alain de Botton so klasse, weil er es eben auf den Punkt gebracht hat – auch wegen der Entscheidung zur Liebe … Liebe ist nicht das, was wir Menschen denken. Diese romantische Liebe die in Büchern und Filmen dargestellt wird, und die sich jeder wünscht, existiert so gar nicht – bzw. ist das keine Liebe, sondern Abhängigkeit. 

Und er hat so ein Buch geschrieben, in Romanfassung, also kein Fachbuch, wo er versucht die „echte Liebe“ an den Mensch zu bringen. Um halt zu zeigen: Traut euch Bindungen einzugehen. Weil die machen lebendig. ich mein, selbst mit jedem Schmerz und jeder Enttäuschung ist man doch lebendiger, als wenn man sich aus allem zurückzieht, oder nicht? 

Und er meinte außerdem noch: Liebe ist nicht aufregend, sondern eigentlich todlangweilig. 😀 Deshalb wird man in seinem Buch auch keine spannenden Höhepunkte erleben, sondern eine sehr trockene Geschichte über ein Ehepaar, das einfach lebt und in welchen Kleinigkeiten diese entschiedene Liebe steckt. 

 

 

 

7 Tage nicht jammern

Hat das schon einmal jemand versucht? Verrückt, wie schwierig es ist – ich ertappe mich so schnell bei so Kleinigkeiten beim „Jammern“ oder „Ärgern“. Vorhin erst über ein Programm in der Arbeit. Gestern habe ich mich, glaube ich, über nichts beschwert. Ich will wirklich mal eine Woche versuchen, mich über nichts aufzuregen. Schon gar nicht über Kleinigkeiten oder Dinge, die nicht weltbewegend sind. Ich bin gespannt, ob ich das durchziehe, aushalte und ob ich das überhaupt wahrnehme. 

Ich glaube, auf die Idee bin ich gestern durch die zwei Folgen Bleisch & Bossart (Beziehungsstatus: Es ist kompliziert und im Austausch mit Felizitas Ambauen „Beziehungen sind kompliziert“) gekommen. Ich weiß, irgendwie witzig, eigentlich haben sie ja viel über die „Generation Beziehungsunfähig“ diskutiert etc., aber immer wieder fallen zurzeit in diesen philosophischen Austauschen die Worte „Mikroaggressionen“. Und im Zusammenhang der Diskussion verstehe ich darunter, dass sich Menschen gerne über kleine Dinge echauffieren, um Probleme zu kreieren, die eigentlich keine Energie wert wären, weil Menschen das bräuchten. Wichtig: Das ist, was ich in dem Kontext unter dem Begriff „Mikroaggression“ verstanden habe. Wenn ich google, lese ich allerdings, dass dieser Begriff viel mehr in Zusammenhang mit Rassismus, (Oder: Manager Magazin) Gender Equality & Diversity etc. pp. benutzt wird. Mikroaggression sei eine Botschaft, die häufig unbewusst in Form von subtiler Zurechtweisung, abschätzigen Blicken, Gesten oder Tonfälle übermittelt würde. (Quelle: https://taz.de/Identitaetspolitik/!5654397/). -> Ich finde diesen Artikel von Mathias Lohre übrigens ausgesprochen gut und vieles von dem was er schreibt, nehme ich auch so wahr oder empfinde ich sehr ähnlich. Außerdem sagt Wikipedia:

Mikroaggression (englisch microaggression) ist ein sozialpsychologischer Begriff, der 1970 von Chester Pierce geprägt wurde, um als übergriffig wahrgenommene Äußerungen in der alltäglichen Kommunikation zu beschreiben.[1] Darunter werden alltägliche Äußerungen verstanden, die an die andere Person bewusst oder unbewusst abwertende Botschaften senden, welche sich auf deren Gruppenzugehörigkeit beziehen.

Wenn ich nach „Philosophie Mikroaggression“ suche, finde ich auch nichts Aufschlussreicheres. Ohne das Wort zu kennen, sind mir die ganzen oben beschriebenen Dinge bekannt, das ist ja eigentlich alltäglich, oder? Ich hatte in den Sernstunde Philosophie Folgen (die mit Lisa Eckhart, dem Gespräch mit der Paartherapeutin Felizitas Ambauten und Yves Bleisch und Barbara Bossart) den Begriff vollkommen anders gedeutet und interpretiert. Ich hatte wirklich verstanden, dass es bedeuten sollte, dass Menschen sich einfach gerne etwas zum Leiden suchen. 

Ich meine nämlich, dass irgendwie sehr viele Menschen so überempfindlich geworden sind. Weil ich keine hundert Jahre lebe, kann ich natürlich nicht behaupten, dass es früher nicht so war. Aber zumindest wird es in den Medien und Debatten doch total offensichtlich. Und, ich weiß, die Aussage kann jetzt wirklich super falsch ankommen, aber: Ganz sicher hatte man während dem zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit (zum Beispiel)… ganz andere Probleme, als sich solche Nichtigkeiten zum Problem zu machen… Ich finde es teilweise wirklich verrückt und bin sehr ein Freund von: „Ich nehme den Menschen in seinen Empfindungen ernst.“ Aber… wenn sich wegen wirklichen Lappalien aufgeregt und gekränkt gefühlt wird… Wo würde das denn bitte hinführen? Und ich habe eben das Gefühl, dass es aktuell häufiger denn je so ist, dass sich Menschen wegen allem möglichen angegriffen fühlen können. In irgendeiner Folge von 13 Fragen (ich glaube es war die, in der es um Cancel Culture ging) und auch im Austausch mit Lisa Eckhart habe ich verstanden, dass es kaum einen Satz oder eine Aussage gibt, oder ein Witz, eine Kunst, ein Gedicht – das kein Mensch auf dieser Welt auf irgendeine Art und Weise falsch auffassen könnte. Darüber wollte ich auch noch genauer nachdenken… 

Zumindest finde ich es wahnsinnig spannend, was diese ganzen Diskussionen usw. in mir auslösen und was für Gedanken das bei mir in Fahrt bringt. Zumindest bin ich gespannt, ob ich am Ende der Woche berichten kann: Ich habe so wenig wie möglich gejammert, und wenn ich es getan habe, habe ich es sofort gelassen. Und eben, genau, wichtig hinzuzufügen: Ich nehme mich überhaupt nicht raus bei dem, was ich alles für „Anschuldigungen“ an die Gesellschaft mache (überempfindlich, nach Leid suchen, etc.). Ich bin voll von Fehlern 😀 Aber gerade weil mir das so bewusst wird, will ich jetzt mal versuchen gelassener zu sein. 

Heute treffe ich mich mit einer Frau auf einen kleinen Rundgang am Weihnachtsmarkt. Ich freue mich schon sehr. Morgen werde ich mit einem Arbeitskollegen essen gehen. Für diese Woche habe ich} keinen Therapietermin, weil ich} keine Themen haben, die ich mit ihr bereden könnten. Ich habe zurzeit das Gefühl, dass alles ganz gut läuft. Es wäre auch blöd, wenn ich die Stunde mit ihr einfach nur dasitze und nichts Sinnvolles zu besprechen habe, immerhin sind nicht mehr so viele übrig. 

Was ich diese Woche aber auf jeden Fall noch erledigen werde, ist, dass ich die Frau von der Schutzwohnung anschreibe, um noch einen Telefon-Termin auszumachen. Letzte Woche war sie leider krank und bat mich, sie einfach noch einmal anzuschreiben. 

Neue Strategien einschlagen

Alert: Einige Zeilen enthalten Ironie | Statistiken, für die ich keine Quellen setze, stützen eher meine zynische oder theatralische Ausdrucksform als wirklich meine Überzeugung ;) 

Die letzte Zeit war es einfach sehr still um uns. Es verändert sich innerlich und gedanklich sehr viel in mir und ich zweifele gerade alles an, was ich die letzten Jahre getan habe oder wie ich mich um mich „gekümmert“ habe. Ich denke, fünf Jahre sind jetzt eine gute Zeit um eine kleine Bilanz zu ziehen, was für Erfolge oder Misserfolge ich erlebt habe, seit der Diagnose F44 81.

Außerdem steht in wenigen Wochen ein neues Jahr an und ich bin der Meinung, wenn gerade sowieso vieles im Umbruch bei mir ist, dass ich auch hier im Blog neu starte. Es fühlt sich gut an, Altes auch einfach mal Altes sein lassen zu dürfen und einen Mülleimer zu leeren, bevor er überquillt. 

Ich kann nicht genau sagen, was mir so den Kopf gewaschen hat, aber es ist nicht von einem Tag auf den Anderen entstanden. Über viele Jahre hinweg hatte ich immer wieder Einbrüche und habe immer wieder am Sinn meines Lebens gezweifelt. Ja, das klingt total dramatisch, aber hat nicht jeder schon über den Sinn seines Lebens nachgedacht? Selbst, wenn ich hier zu keiner Antwort komme, weiß ich zumindest, was mein Leben definitiv nicht sein soll: Ein Feststecken in der Zeit, Stagnieren – kein Vorankommen. Ich meine, jahrelang habe ich mich sehr bemüht, vieles versucht aufzudröseln und zu verstehen. Ich will diese Erfahrung und das, was ich erreicht habe auch auf keinen Fall missen oder so tun, als wäre nie irgendwas gewesen. Ich möchte mich hier ganz klar von einem Leugnen der Diagnose oder der Vergangenheit distanzieren! Aber ich habe festgestellt, dass ich nicht vorankomme mit der Art an meinem Leben oder mir zu arbeiten. Ich möchte versuchen es anders anzugehen und mehr Lebensqualität für mich zu gewinnen, vollkommen aus der Opferrolle auszusteigen. 

Durch meine Vergangenheit und noch einigen täterbelasteten Kontakten, ist es natürlich nicht so einfach zu sagen: „Ich schaue nur noch vorwärts.“ Ich möchte viel eher versuchen, es anders zu probieren. Der „Ausstieg“ in dem Sinne hat bisher nicht funktioniert und nach vielen Jahren nachdenken und Feststellung, dass eigentlich jeder Täter oder Nicht-Täter sein, spätestens aber jeder zweite mit einem Täter bekannt, verwandt oder verschwägert sein könnte, haben mich vollends ermüdet. Es wird nicht funktionieren, dass ich zu allen Menschen, die auf irgendeine Art und Weise Kontakt zu vermeintlichen (oder wirklichen) Tätern haben könnten, den Kontakt abbreche. Und wirklich? Ich habe auch nicht vor, das zu meiner Lebensaufgabe zu machen. Ich möchte weithin versuchen nur noch Kontakte zuzulassen, von denen ich das Gefühl habe, dass sie 
Entweder: heilsam
Oder: bereichernd 
Und: im besten Fall beides sind. 

Die Amnesien kann und konnte ich nie vermeiden oder durchbrechen. Vielleicht hat es diese paar Jahre gebraucht, alles aufzudröseln, um zumindest mit meinem Innen in Kontakt zu kommen, und das funktioniert jetzt soweit auch wirklich gut. Natürlich gibt es Phasen, in denen gar nichts klappt, die Amnesien stärker werden, körperliche Symptome auftauchen, etc. Aber es hat auch die ganzen Jahre nichts vorangetrieben, obwohl ich sehr bestrebt war jeden Einzelnen meiner Anteile kennenzulernen und hinzuhören. Was ich definitiv sagen kann ist, ja: Ich habe Hilfe von außen benötigt, um sie kennenzulernen (und vermutlich werde ich das auch weiterhin). Ich will mich nicht abschotten von den Anderen, nur möchte ich es nicht mehr zum Mittelpunkt meines Lebens machen, sondern damit arbeiten, was ich nun in den letzten Jahren erreicht habe. 

Gestern, nachdem Finja nach Hause gefahren ist (die Frau, die ich}+ vor zwei Wochen kennengelernt habe), habe ich von Innen jemanden spüren können. Es war erst eine unendliche Traurigkeit und Rastlosigkeit da und ich habe schnell geschaltet. Mir war ja klar, dass ich im Alltag zurzeit sehr vermeide das Co-Bewusstsein zuzulassen, einfach, damit ich wieder mal verstehe, wer ich überhaupt bin. Ohne das ganze Wir im Hintergrund, woraus niemals ein einzelnes Ich entstehen kann. Ich war also darauf vorbereitet, dass ich mich, sobald ich wieder alleine bin, um Anteile kümmern werden muss, die den ganzen Tag nicht gesehen werden konnten. Da ich eben durch die wertvollen vier Jahre Arbeit an der Kommunikation mittlerweile ganz gute Möglichkeiten habe, hat das auch ganz gut geklappt. Ich dachte im ersten Moment natürlich schon, die Traurigkeit, die Rastlosigkeit und ein Anflug von Angst wäre meines, aber ich konnte keine Ursache und keine Gründe finden, bis mir klar wurde, dass es nicht meine Gefühle sind. Ich möchte vermeiden im Alltag zu sehr in den inneren Kontakt zu gehen, einfach, weil ich nie voraussagen kann, wer sich dann meldet und besonders mit welchem Thema. Aber ich finde, das braucht es nicht unbedingt – nicht für mich}. Es war nur ein Experiment gestern, aber es hat sich wirklich bewährt. Anstatt, dass ich in direkten Kontakt gegangen bin, wie sonst: „Wer ist da? Was willst du mir mitteilen? Was kann ich dir Gutes tun?“ (was mich dann meistens stark belastet, aus der Fassung gebracht oder sogar aus dem Körper gedrängt hat), habe ich es gestern versucht mit: „Ich nehme dich wahr und es ist okay, dass du dich fühlst, wie du dich fühlst.“ Außerdem habe ich nicht danach gefragt, was jene/r will, sondern mich versucht auf meine Instinkte zu verlassen. Obwohl ich keinen Tee mag und keinen Hunger hatte, habe ich mir} einen warmen Tee aufgebrüht und ein Brot geschmiert, habe mich dann ins Wohnzimmer in eine Decke gekuschelt und habe etwas im Fernsehen angeschaut. Ich hatte schon das Gefühl, dass ich dadurch das Innen beruhigen konnte, ohne zu wissen, wer oder was es war. Erst nachdem dann die Emotionen wie Angst und Rastlosigkeit verschwunden waren, und nur noch die Traurigkeit mitschwang, habe ich ein Innenkind entdeckt und wusste schon eher, was nun wichtig wäre. Zumal ich intrusive Erinnerungen hatte (Fenster, Lichthupen, Katzenbabys)… und spürte innere Impulse, nach draußen zu gehen, obwohl es keine ersichtlichen Gründe gab. Durch die Therapie weiß ich nunmehr, was das zu bedeuten hat und besonders, zu wem das alles gehört. Also habe ich mich auch gezielter kümmern können. Da Finja eben über Nacht bei uns war und sie gerne Kakao zum Frühstück trinkt, hatte ich am Samstag deshalb Kakao gekauft. Ich selbst trinke sowas sehr selten. Es schmeckt mir zwar, aber ich kann mit dem Völlegefühl durch Flüssigkeit nicht umgehen. Deshalb trinke ich selten irgendwas anderes als Wasser (Außer beim Trinken in Gesellschaft, versteht sich 😀 ). Trotzdem habe ich mir}+ also eine halbe warme Tasse Kakao gemacht, weil ich weiß, dass jenes Innenkind das braucht, um sich umsorgt zu fühlen. Und was soll ich sagen? Es hat funktioniert. Ich fühlte mich getröstet und ruhig, als wäre nie irgendwas gewesen oder als wären jene Emotionen vorher nicht da gewesen. Ich konnte ruhig und schnell einschlafen (wider Erwarten). 

Ich bin außerdem überzeugt, dass es auch Jimmy besser täte, wenn ich versuche mich darauf zu konzentrieren, all das, was ohnehin schon sehr zersplittert in mir ist, nicht noch mehr nach außen oder in den Fokus zu setzen. Ich will doch schließlich heilen und die ganzen Puzzlestücke nicht zerstreut herumliegen lassen. 

Mit der Art, wie ich seit einer Woche versuche durch den Alltag zu gehen, bin ich auch viel lösungsorientierter. Ich fühle mich nicht gefangen in einem Sumpf aus Scheiße, sondern habe wirklich das Gefühl die Kraft und die Möglichkeiten zu haben, zu wachsen und vorwärtszukommen. Mit all dem Dasein aller anderen mit mir, war/ist es fast  unmöglich, irgendwas in den Angriff zu nehmen. Ich konnte mich wunderbar um alle wichtigen Dinge kümmern! Da ich ja eine Weile nur 15 Stunden gearbeitet habe und ALG II vom Jobcenter in Anspruch genommen habe, kam jetzt eine Nachzahlung in Höhe von 1.300 Euro. Natürlich hat mir das letzte Woche erst einmal den Boden unter den Füßen weggezogen, denn schließlich habe ich dieses Geld nicht einfach mal so da. Ich brauchte zwei Tage Durchschnaufpause, dann habe ich mich noch einmal an den Tisch gesetzt, den Brief objektiv durchgelesen, im Internet recherchiert, welche Rechte mir zustehen und mich um einen Antrag auf Ratenzahlung gekümmert. Erstes Problem wieder gelöst. Jetzt heißt es warten auf eine Antwort – und erst dann weiter denken. 

Ich habe weiterhin Kontakt zu der Frau vom Ambulant Betreuten Wohnen – aber auch da heißt es gerade: Füße still halten, durchatmen, auf Genehmigung warten. 

Ich sitze mit Frau Blume am Fonds Sexueller Missbrauch und habe zudem mit einer lieben Frau Kontakt, die dort direkt an der Quelle der Anträge sitzt und sowohl mir, als auch Frau Blume beim Ausfüllen des Antrags helfen möchte. Nicht zuletzt hatte ich}+ mich von jener Frau auf eine Warteliste für nächstes Jahr setzen lassen, um in dem Haus unterzukommen, damit ich} in der Zeit in Sicherheit von äußeren Einflüssen bin.

Neben der privaten Probleme habe ich auch mein berufliches Unwohlsein in die Hand genommen, indem ich mich mit der Mitarbeitervertretung besprochen und mich auf eine Vertretungsliste habe setzen lassen. Außerdem hätte ich im worst case noch einen Job in Aussicht, wenn hier alle Stricke reißen. Auch da sehe ich: Füße still halten, nicht in die Angst kommen. Es wird alles seine Wege gehen, wenn ich mich kümmere. Und das tue ich. 

Vor allem glaube ich, was das wichtigste ist: Es geht mir} gut. Die Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit sind weg. Ich fühle mich nicht, als müsste ich überleben, sondern als könnte ich einfach leben – ja, mit und trotz allem, was Probleme bereitet. Ich habe gestern übrigens einen unheimlich interessanten Austausch gesehen, SRF Sternstunde Philosophie, mit Lisa Eckhart – Ist das lustig? Und ich muss sagen, selbst wenn sie mir als Person unsympathisch war (ich kannte sie vorher nicht), fand ich sie sehr interessant und viele ihrer Aussagen haben mir Denkanstöße gegeben, die ich von alleine nie bekommen hätte. Und einiges in diesem philosophischen Austausch über eine Stunde hinweg, hat mich dazu ermutigt, mich selbst nochmal zu hinterfragen. Einige ihrer Aussagen empfand ich als unangenehm und kritisch – aber das bedeutet nicht automatisch, dass ich sie schlecht finde. Außerdem möchte ich mir das noch einmal anschauen, um mir diesen Austausch genauer durch den Kopf gehen zu lassen. Zwei Dinge sind mir aber sehr bewusst hängen geblieben, einmal ihre Aussage: „Nichts ist schädlicher für die Kunst, als das Wühlen in sich selbst“ (grundsätzlich finde ich ihren Sprachgebrauch sehr beeindruckend…) und konnte mich so sehr mit dieser Aussage identifizieren. Das ist ja genau das, was ich die letzten Wochen feststelle: Nichts hat mir in den letzten Jahren mehr geschadet, als in mir selbst zu wühlen – bis zum letzten Winkel. Und darauf bauend kamen noch weitere Thesen und Gedanken, die ich mir noch einmal anhören möchte, um zu wissen, ob ich sie richtig verstanden habe. 

Außerdem benutzte sie das Wort: Mikroaggression. Ich wusste, was die Bedeutung des Wortes ist, weil ich genau das, was in den letzten Jahren in meinem Leben passiert ist, zu beschreiben versucht habe – nur kein passendes Wort gefunden habe. Und ja, ich finde, dass es provokativ sein kann, solche Begriffen achtlos zu benutzen – aber es hat so gut meine Wahrnehmung auf meine Probleme beschrieben und es hat sich so befreiend angefühlt, dafür endlich ein Begriff zu finden. 

Ich habe in der letzten Zeit eben festgestellt: Mein Leben ist gar nicht so furchtbar und schrecklich, wie ich es oft empfinde. Das passiert nur, weil ich mich ausschließlich auf meine Probleme und das Verletzte in mir fokussiere, anstatt einfach mal den Kopf in die sonnigere Richtung zu halten. Ich wachse nicht (nur) dadurch, indem ich mich ständig und pausenlos mit mir selbst beschäftige. Ich denke ohnehin, ohne eingebildet klingen zu wollen, dass ich den Großteil meines Lebens damit verbracht habe, mich selbst kennen- und verstehen zu lernen. Besonders in den letzten zwei/drei Jahren habe ich mich fast gar nicht mehr für andere Menschen interessiert. Vor allem habe ich durch den intensiven Kontakt mit Menschen in den letzten Wochen festgestellt, dass ich viel mehr bei mir selbst bin, meine eigenen Meinungen vertreten und begründen kann, ohne mich verletzt oder abgewiesen oder „falsch“ zu fühlen, nur, weil andere anders denken. Und ich habe auch gemerkt, wie viel aufgeschlossener ich anderen Ansichten gegenüber sein kann. Das hätte ich vor fünf Jahren absolut nicht von mir behaupten können. 

Meine letzte Woche war sehr durchwachsen. Sonntag hatte ich mich mit einem Arbeitskollegen getroffen, war mit ihm Brunchen und dann kurz auf einem Streetfood Festival, hatte angeregte Gespräche. Am selben Tag um 18 Uhr hatte ich mich mit einer jungen Frau in meinem Alter getroffen, die ich}+ vor drei Monaten (zugegeben, ich erinnere mich nur durch sehr wenige Intrusionen) auf einer lesbischen Party kennengelernt habe und die lustigerweise im Nachbarsort wohnt. Mit ihr war ich Abendessen, hatte super witzige, offene Gespräche. Montag war ich mit einer alten Freundin unterwegs und war nachmittags bei Billy auf ein sehr gutes Gespräch Zuhause, Dienstag habe ich mit Soula, meiner Ex-Freundin aus Kreta telefoniert, Mittwoch mit einem Kumpel getroffen und sehr viel philosophiert, Donnerstag hatte ich mich mit dem Betreuer von der Jugendhilfe getroffen, Freitag war ich mit einem Pärchen auf ein Abendessen verabredet, was auch sehr schön und spannend war und am Samstagabend kam ja dann Finja über Nacht und fuhr erst Sonntagabend zurück. Es war eine so schöne Woche – ich habe mich lebendig und echt gefühlt, das habe ich zuletzt vor so vielen Jahren! 

Zu Finja selbst kann ich mich noch nicht so genau äußern. Ich}+ schrieb  gestern in der Instagram Story:

„Übrigens… ich glaube Finja ahnt mittlerweile einiges durch unsere Gespräche. Zwar nicht die DIS, aber ich denke, sie ahnt schon, dass wir in Therapie sind und in der Klinik waren. Schon letztens fragte sie mal, was wir denn regelmäßig in *** machen würde (Therapie). Und da haben wir so gezögert. Sie: „Willst du nicht drüber reden?“ Und ich: „Mh… noch nicht.“ Gestern Nacht sprachen wir über Menschen, die uns „triggern“. Weil Finja irgendwie meinte, sie könne sich nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die wir nicht mögen. Da haben wir dann so geschaut und erzählten ihr von der Aktion im „Krankenhaus“, als wir einem Arzt verschimmeltes Essen und Zigarettenmüll unter der Tür durchgeschoben haben. Da ist sie hellhörig geworden und auch da bin ich zurückgerudert. Sie fragte dann nachts, bevor wir einschliefen, wovor ich Angst hätte. Die Frage kam mehr oder weniger aus dem Nichts. War aber auf meine Verschwiegenheit bezogen. Sie meinte, ich würde sehr „geheimnisvoll“ wirken (und ich sagte: „Das ist meine Masche Frauen rumzukriegen – unsere Gespräche sind, selbst wenn sie tiefsinnig sind, irgendwie neckend, witzig und sehr leicht). Ich habe ihr dann gesagt, dass ich einfach nicht weiß, wohin das mit uns beiden führen wird und es doch Dinge im Leben eines Menschen gibt, die man nicht mit jedem teilt. Ich würde sie aber auch nicht anlügen wollen, ich könne nur sagen, dass ich im Moment einfach nicht bereit bin, offen zu ihr zu sein. 
Ich glaube, dass uns da besonders die letzte Beziehung so geprägt hat. Da waren wir direkt am Anfang ehrlich. Mit der DIS, dem Hintergrund, sie hat sich 100% reinbegeben, obwohl sie nicht einmal mit Trauma Berührungspunkte hatte. Und wir waren die erste Zeit hin und weg davon, wie sie mit uns und allem umgegangen ist. Aber nach ein paar Wochen(Monaten) ist es enorm gekippt. Sie hat alle ihre Energie und den Fokus nur noch auf uns gerichtet, als wären wir zu ihrer Lebensaufgabe geworden, um „gerettet“ zu werden und absolut alles, die banalste Befindlichkeit waren dann DIS… es wurde auf sehr subtile Art und Weise immer übergriffiger und zum Ende sogar emotional erpressend (Darüber konnten wir aber ein gutes Gespräch zum Ende führen). Aber so glücklich, wie wir am Anfang waren, komplett so angenommen zu werden wie wir sind; In der ganzen Beziehung gab es zu keiner Sekunde diese Leichtigkeit. Und das, was wir seit zwei Jahren versuchen bei Frau Blume zu erlernen, die Autonomie, hat sie uns (fast) schleichend genommen.
Viele, die unseren Blog verfolgt haben und für die diese Trennung so „plötzlich“ kam, haben uns dann auch zum Vorwurf gemacht, wir würde diese „heilsame“ Beziehung zu ihr boykottieren und uns selbst schaden wollen. Wir sind diesen Personen nicht böse, die diese Vermutung gestellt hatten – letztendlich konnten wir im Blog nicht mehr offen schreiben, weil wir irgendwann erfahren haben, dass Nikki jeden einzelnen Eintrag gelesen hat (ohne unseres Wissens oder Einverständnisses) und natürlich wollten wir sie weder bloßstellen noch verletzen. Denn sie ist in all ihren Eigenarten ein sehr liebenswerter Mensch, nur hat sie selbst einen großen Packen, den sie noch nie angegangen ist – und das hat irgendwann dieses „Schädliche“ ausgelöst. Eine Beziehung (egal welche, aber besonders Liebesbeziehungen), kann nicht funktionieren, wenn der ganze Fokus nur auf einen Part gelenkt wird. Und sie hätte sich auch nicht selbst damit heilen können, indem sie uns „rettet“ und so von sich ablenkt. 
Naja und aus diesem Grund, können wir uns Finja nicht öffnen. Die Angst ist zu groß und der Grat immer so schmal, wann etwas Heilsames in Schädliches oder Übergriffiges übergehen kann. Und ja, man kann zwar dann darüber sprechen, aber wenn es nach den ersten und zweiten Gesprächen immer noch schwer bleibt, alles zerdacht wird, in allem ein Problem gefunden wird, dann ist es wirklich aussichtslos. Es bringt mehr Probleme und raubt mehr Energie, als man ohnehin nicht hat. In einer Beziehung bei Problemen zueinander stehen: Ja! Absolut. Aber jeder sollte dabei seine Autonomie behalten.“

Ich weiß nicht, wer von uns das geschrieben hat, aber ich kann dem ganzen sehr gut mitgehen. Ich selbst möchte in einem viel kürzeren Satz zusammenfügen: Ich habe riesengroße Angst davor, dass wenn ich mich Finja öffne und ehrlich bin, alles wieder zu einem Problem wird. Dass die DIS und meine Traumata plötzlich alles zu sein scheinen, was mich ausmacht – und das bin ich nicht. Das weiß ich aus Erfahrung, bevor ich mich mit der Diagnose auseinandergesetzt habe, und vor allem durch meine neu gewonnen Erkenntnisse der letzten Jahre und wie es mir jetzt geht. 

Viel weniger ist es die Angst, dass sie mich für verrückt oder gestört hält, als eben genau das Gegenteil: Dass ich wieder zur „Aufgabe“ eines Menschen gemacht werde, obwohl ich doch auch einfach nur ein Mensch bin, mit dem man leben kann, anstatt zu überleben. 

Außerdem, es ist, wie wir es ihr auch gesagt haben: Ich weiß nicht, was aus dem, was wir beide gerade haben, werden wird. Ich wollte eigentlich keine Beziehung mit irgendjemandem, weil ich ja selbst weder genau weiß, wo ich stehe und wo ich Zuhause bin. Aber irgendwie entwickelt sich was zwischen ihr und mir und das behagt mir im Kopf nicht richtig. Im Herzen fühlt’s sich’s richtig an, und deshalb höre ich auch nicht auf, mich darüber zu freuen, sie zu sehen und den Kontakt intensiver werden zu lassen. Aber ich weiß nicht, ob daraus wirklich etwas so Ernstes wird, dass es wichtig ist, dass sie all das über mich weiß. Denn auch ohne all dem, was sie noch nicht weiß, bin ich ja jetzt und in jeder Sekunde mit ihr, genau die, die ich bin. Denn jeder von uns ist ja die, die sie ist. Sowohl im Einzelnen, als auch im Großen und Ganzen betrachtet. 

Nächste Woche wollen wir ihren und meinen Hund mal kennenlernen lassen. Das macht mich etwas nervös, weil Jimmy bei großen Rüden unberechenbar ist. Den einen lässt er aus seinem Napf trinken, der Andere muss ihn nur schief anschauen und Jimmy geht auf ihn los. Nur bei großen Rüden. Mit allen anderen kommt er traumhaft gut klar. Aber Finja hat ausgerechnet einen großen schwarzen Rüden. 

Finja ist zuversichtlich. Meine Hundetrainerin hat mir auch schon Tipps gegeben. Ich drücke einfach nur die Daumen und bete. Denn Finja und ich wollen uns häufiger sehen und vermissen uns gegenseitig irgendwie auch, was heißt, sobald ich Urlaub habe, wollen wir uns auch etwas öfter sehen. Es wäre einfacher, wenn wir dann keine Betreuung für unsere Hunde bräuchten. Bisher habe ich ja Jimmy entweder Zuhause gelassen wenn ich bei Finja war, und letztes Wochenende hat Finja ihren Hund bei einer Freundin gelassen. Geplant war eigentlich, dass sie ihn mitnimmt, aber wir haben uns umentschieden, damit ich ihr erst einmal meinen Ort ein bisschen zeigen kann. Das war eine gute Idee, denn jetzt hat mir eben meine Hundetrainerin noch einmal genaue Anweisungen gegeben, wie ich bei der ersten Begegnung mit Finjas Hund vorgehen soll nächstes Wochenende. 

Was Weihnachten angeht: Es glauben sehr viele nicht, was ich jedes Jahr und immer wieder aufs Neue wiederhole. Aber, ich werde nicht müde es zu tun, weil ich weiß, dass es so ist: Meine Eltern sind keine Täter. Sie haben Fehler gemacht, aber sie waren nicht die Täter. Ein für alle Mal. Die Beziehung zu meinem Vater ist schwierig – das tue ich nicht ab und gebe auch zu, dass ich nicht ergründen kann woher die Abneigung gegen ihn kommt und ziehe es in Betracht, dass da mal etwas gewesen, ist, woran ich mich (immer noch nicht) erinnern kann. Aber er gehört zur Familie. Was bedeutet, dass wir dieses Weihnachten, wie jedes Weihnachten, mit der großen Familie feiern werden. Es sind viele Kinder und Eltern dabei und ich werde sogar Frau Blume den Standort nennen, wo wir feiern werden. Es ist kein Geheimnis und es wird ein schönes Fest, wie letztes Jahr auch. Das, was Probleme bereitet, war immer die Zeit nach dem gemeinsamen Essen und der Bescherung – die Nacht. Ich weiß nie, was war, nachdem diese Familienfeier vorbei war. Ich kann mich erinnern, wie wir nach Hause fahren. Und ab dem Zeitpunkt verläuft sich mein Gedächtnis in Schwärze. Aber: während der Feier, die meistens von 17 – 21/22 Uhr geht, habe ich} nie Gewalt erfahren, auch, wenn sich viele andere außer mir nicht an Weihnachten erinnern können – was ja nur klar ist, weil eben keines der Alltags-Anteile im System diese Weihnachtsfeier mitmacht. Sondern meistens ich – oder vieles zusammen, was dann sehr dissoziativ geschieht. Wer weiß, vielleicht wegen bevorstehender Ängste im Innen vor der Nacht oder vor dem Nichtwissen, was „danach“ passiert. 

Aber ich habe dieses Jahr vor, dass ich direkt nach dem Familienfest zu einer Freundin fahre und bei ihr übernachte. Mal schauen, ob mir dann dieses Jahr wieder Erinnerungen fehlen oder nicht. Aber auch hier: Ich kümmere mich! Ohne, ein großes Drama daraus zu machen. Ich kümmere mich im bestmöglichen Sinne darum, dass ich in Sicherheit bin, sollte ich in Vergangenheit nie in Sicherheit gewesen sein – und zwar so, dass ich trotzdem noch vorher die schöne Zeit mit lieben Familienmitgliedern verbringen kann, die ich sonst selten sehe, obwohl sie mir sehr am Herzen liegen. 

Es muss nicht nur ein Entweder oder Geben – und das will ich nicht zuletzt mir selbst beweisen. Es kann auch einfachere, weniger rabiate Lösungen geben (als zum Beispiel in einer geschlossenen Psychiatrie geschützt zu sein von außen, wo wir dann aber seelisch und psychisch große Rückschritte machen würden). Diese Nacht vom 24. auf den 25. verbringe ich also bei Chleo. Und am 25. Dezember bin ich bei Cia eingeladen. Dort machen meine besten Freundinnen und ich eine kleine Bescherung. Die darauffolgenden Tage werde ich vermutlich fast nur mit Finja beschäftigt sein. Und Silvester verbringe ich wieder bei Chleo. 

– Mii